I. Sühneverfahren
Rz. 43
Das finnische Ehegesetz sieht für Familienstreitigkeiten ein Sühneverfahren zur gütlichen Einigung vor, §§ 20 ff. AL. Dieses Sühneverfahren ist außergerichtlich und fakultativ.
II. Trennung von Tisch und Bett
Rz. 44
Die Notwendigkeit einer Trennung von Tisch und Bett ist als Scheidungsvoraussetzung seit einer Gesetzesänderung, die im Jahr 1988 in Kraft trat, nicht mehr gegeben. Jedoch kann ein Getrenntleben das in zwei Phasen untergliederte Scheidungsverfahren erheblich beschleunigen. Wohnen die Ehepartner mehr als zwei Jahre getrennt, so entfällt die sechsmonatige Bedenkzeit und die Ehepartner können unverzüglich geschieden werden. Das Getrenntleben der Parteien muss nicht durch Zeugen nachgewiesen werden, sofern beide Ehepartner diese räumliche Trennung bestätigen. In der Trennungsphase kann die Ehewohnung einem der Ehegatten zugewiesen werden. Einzelheiten hierzu sind in § 24 AL geregelt.
III. Scheidungsgründe
Rz. 45
Durch die 1988 in Kraft getretene Reform des Eherechts ist das Schuldprinzip im finnischen Scheidungsrecht entfallen. Das Vorliegen einer oder mehrerer Scheidungsgründe ist nicht mehr Scheidungsvoraussetzung. Auch muss keine Zerrüttung der Ehe vorgetragen werden. Gewalttätigkeiten in der Ehe können dazu führen, dass die Ehewohnung für die Zeit des Scheidungsverfahrens einem der Ehepartner zugewiesen wird. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erfolgt dies dann nach dem Gesetz über das Näherungsverbot (Laki lähestymiskiellosta 4.12.1998/898), ansonsten aufgrund des im AL festgelegten Verfahrens.
IV. Scheidungsverfahren
1. Kein Anwaltszwang
Rz. 46
In Finnland besteht generell kein Anwaltszwang. Durch die Reform des Ehescheidungsrechts 1988 und den Wegfall des Schuldprinzips ist das Verfahren derart vereinfacht worden, dass in etwa 90 % der Fälle die Parteien keinen Anwalt oder Rechtsbeistand beauftragen. Vielmehr wird auf vorgefertigte Formulare zurückgegriffen, deren Verwendung jedoch nicht zwingend ist.
2. Zuständiges Gericht
Rz. 47
Zuständig ist das erstinstanzliche Zivilgericht am Wohnsitz des Antragstellers oder Antragsgegners.
3. Zweistufiger Aufbau des Scheidungsverfahrens
Rz. 48
Das Verfahren ist in zwei Stufen unterteilt:
a) Erste Stufe: Antrag auf Ehescheidung
Rz. 49
Die Scheidung wird beim zuständigen Gericht beantragt. Antragsteller können beide Ehegatten gemeinsam oder ein Ehegatte allein sein, § 28 AL. Ein Antrag der ersten Stufe könnte wie folgt aussehen, muss allerdings in finnischer oder schwedischer Sprache verfasst sein:
Muster 1: Antrag auf Ehescheidung, 1. Stufe
Muster: Antrag auf Ehescheidung, 1. Stufe
Amtsgericht Helsinki
Postfach 6 50
00181 Helsinki
AN DAS AMTSGERICHT HELSINKI
Angelegenheit |
Antrag auf Ehescheidung, 1. Stufe |
Antragsteller: |
Lisa Müller (Personenkennziffer), Anschrift, Telefonnummer |
|
Klaus Müller (Personenkennziffer), Anschrift, Telefonnummer |
Antrag: |
Wir bitten, nach Ablauf der Bedenkzeit geschieden zu werden. |
Über das Sorgerecht, Umgangsrecht sowie den Unterhalt unserer minderjährigen Kinder werden wir eine separate Vereinbarung treffen.
_________________________ (Ort, Datum) |
|
_________________________ (Unterschrift Lisa Müller) |
_________________________ (Unterschrift Klaus Müller) |
Rz. 50
Das zweistufige Verfahren entfällt, wenn die Ehepartner entweder mehr als zwei Jahre getrennt gelebt haben oder es sich um eine Scheidung der Ehe aus den in Rdn 6 genannten Gründen handelt.
Rz. 51
Im Rahmen des Scheidungsantrags der 1. Stufe können Anträge hinsichtlich des Sorgerechts, des Unterhalts sowie des Umgangsrechts gestellt werden. Das finnische Ehegesetz sieht hierzu in den §§ 20–23a ein nicht zwingendes Vermittlungsverfahren durch den Sozialausschuss der Gemeinde vor. Treffen die Parteien selbst eine Einigung, muss diese vom Sozialausschuss bestätigt werden. Kann keine Einigung erzielt werden, entscheidet das Gericht hierüber. Dies betrifft nicht den nachehelichen Unterhalt, welcher ebenfalls bestätigt werden kann, der jedoch in der Praxis die absolute Ausnahme bildet. Wird hierüber kein Antrag gestellt, ergeht auch keine Entscheidung des Gerichts. Wird der Antrag auf Ehescheidung nicht gemeinsam gestellt, erhält der Antragsgegner die Möglichkeit, sich zum Scheidungsantrag zu äußern. Nach Eingang des gemeinsamen Antrags bei Gericht oder nach Zustellung des einseitigen Antrags der Ehescheidung an den Antragsgegner läuft die sechsmonatige Bedenkzeit. Nach Ablauf dieser sechsmonatigen Frist beginnt die zweite Stufe des Scheidungsverfahrens.
b) Zweite Stufe des Scheidungsverfahrens
Rz. 52
Nach Ablauf der sechsmonatigen Frist ist gem. § 26 Abs. 2 AL die Scheidung auszusprechen, wenn einer der Ehegatten oder beide dies beantragen. Die Frist beträgt hierfür weitere sechs Monate. Ein solcher Antrag sieht wie folgt aus:
Muster 2: Antrag auf Ehescheidung, 2. Stufe
Muster: Antrag auf Ehescheidung, 2. Stufe
Amtsgericht Helsinki
Postfach 6 50
00181 Helsinki
AN DAS AMTSGERICHT HELSINKI