1. Erbstatut: Objektive Bestimmung des Erbstatuts
Rz. 7
Vor dem Inkrafttreten der Kodifizierung des finnischen internationalen Erbrechts im Jahr 2002 wurde das Erbstatut nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip bestimmt. Dieser Grundsatz findet gem. § 20 des Gesetzes zur Reform der internationalprivatrechtlichen Vorschriften weiter Anwendung, sofern der Erbfall vor dem 1.3.2002 eingetreten ist.
Rz. 8
Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers wurde im Rahmen der Reform als primärer Anknüpfungspunkt aufgegeben. Primärer Anknüpfungspunkt ist nunmehr der letzte Wohnsitz des Erblassers (PK 26:5 Abs. 1). Der Wohnsitz setzt in Abgrenzung zum Ort des gewöhnlichen Aufenthalts voraus, dass der Erblasser den Willen hat, dort zu bleiben. Wenn z.B. ein Arbeitnehmer nur für eine bestimmte Zeit ins Ausland versetzt wird, führt dies also nicht zu der Begründung eines neuen Wohnsitzes im Sinne dieser Regelung.
Rz. 9
Dieser Grundsatz ist jedoch nicht der einzige Anknüpfungspunkt. Sofern der Erblasser zu einem früheren Zeitpunkt seinen Wohnsitz in einem anderen Staat hatte, findet das Recht am letzten Wohnsitz nur Anwendung, sofern der Erblasser
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entweder bei seinem Tode die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaates besaß oder |
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unmittelbar vor seinem Tode wenigstens über einen Zeitraum von fünf Jahren in diesem Staat gewohnt hat (PK 26:5 Abs. 2). |
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, findet das Heimatrecht des Erblassers Anwendung.
Rz. 10
Hiervon besteht jedoch noch eine Ausnahme: Hatte der Erblasser unter Berücksichtigung aller Umstände eine wesentlich nähere Beziehung zu einem anderen Staat als zu dem, dessen Angehöriger er bei seinem Tode war, wird das Recht des ersteren Staates angewandt (PK 26:5 Abs. 2). Aufgrund dieser Regelung besteht durchaus die Möglichkeit, argumentierend auf die Frage des anzuwendenden Rechts Einfluss zu nehmen (zur Rechtswahl siehe Rdn 26 f.).
2. Der Anwendungsbereich der lex hereditatis
Rz. 11
Das Gesetz gibt in PK 26:7 eine Aufstellung der Tatbestände, für die das auf die Erbschaft anzuwendende Recht maßgebend ist:
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das gesetzliche Erbrecht und die Fähigkeit, Erbe oder Vermächtnisnehmer zu sein; |
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die Erbfolge und der Erbteil; |
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der Pflichtteil und ein vergleichbarer geschützter Anteil am Nachlass; |
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die Berücksichtigung eines Vorempfangs und einer Schenkung bei der Nachlassteilung sowie die Verpflichtung, einen Vorempfang und eine Schenkung zurückzugeben; |
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der Verlust des Erbrechts und die Enterbung sowie Erlöschen des Erbrechts aufgrund Verjährung, Erbverzicht oder vergleichbaren Grundes; |
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Zulässigkeit, inhaltliche Wirksamkeit und Rechtswirkungen für alle Fragen des Testamentsrechts, nicht aber die Form des Testamentes; |
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das Recht der Verwaltung des ungeteilten Nachlasses, dessen Bereinigung sowie Auseinandersetzung; |
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das Recht Unterhalt bzw. Unterstützung aus dem Nachlass zu erhalten. |
Rz. 12
Von der Verweisung nicht erfasst ist zum einen die Frage der Form des Testaments. Diese Frage richtet sich nach PK 26:9, welcher wiederum auf das Haager Testamentsformabkommen verweist. Dieses wurde 1976 in Finnland ratifiziert und trat am 23.8.1976 in Kraft. Von der Verweisung ebenfalls nicht erfasst sind die Nachlassbereinigung und die Nachlassteilung. Soweit diese in Finnland durchgeführt werden, wird nach PK 26:15 finnisches Recht angewendet.
3. Die Behandlung des renvoi im finnischen Recht
Rz. 13
Das neue finnische Kollisionsrecht nimmt eine Rückverweisung nur an, wenn dies ausdrücklich geregelt ist. Die Regel ist, dass die Verweisung auf das fremde Recht sich lediglich auf das materielle, nicht aber das Kollisionsrecht bezieht (PK 26:19 Abs. 1). Ein renvoi wird also grundsätzlich nicht beachtet.
4. Vorschriften, die ungeachtet des Rechts eines fremden Staates anzuwenden sind (Exklusivvorschriften)
a) Allgemeines
Rz. 14
Die PK 26:12–26:14 regeln Tatbestände, in denen ungeachtet der Frage des Erbstatuts finnisches Recht anzuwenden ist. Dies betrifft folgende Sachverhalte:
b) Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten an der gemeinsamen Wohnung
Rz. 15
Der überlebende Ehegatte hat nach PK 3:1a Abs. 2 das Recht, eine in Finnland gemeinsam bewohnte eheliche Wohnung weiterhin zu nutzen. Dieses Recht besteht nach PK 26:12 auch, wenn im Übrigen finnisches Recht nicht anzuwenden ist. Voraussetzung für das Nutzungsrecht ist allerdings, dass die Wohnung den Lebensverhältnissen des überlebenden Ehegatten entspricht. Auch wird berücksichtigt, welche Zuwendungen der überlebende Ehegatte güterrechtlich oder aufgrund testamentarischer Verfügungen erhalten hat. Da der Ehegatte in Finnland neben Abkömmlingen nicht den Status eines gesetzlichen Erben hat und ihm gesetzlich nur ein Anspruch auf güterrechtlichen Ausgleich zusteht, ist dieses zusätzliche Recht eine wichtige Absicherung für ihn.
c) Recht auf finanzielle Unterstützung für Kinder, den überlebenden Ehegatten und den Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft
Rz. 16
Sind für die Erziehung und Ausbildung eines Kindes des Erblassers Mittel über das hinaus erforderlich, was dem Kind als Erbe zufällt, so ist ihm gem. PK 8:1 eine einmalige Unterstützung zu gewähren. Auch dem überlebenden Ehegatten, dem/der Verlobten und dem Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, der selbst nicht für sein Auskommen sorgen kann, ist gem. PK 8:2 eine einmalige Unterstützung aus dem von Verbindlichkeiten bereinigten Nachlass zu gewähren. Dieser Anspruch hat eine hohe Priorität und kann im Ergebnis dazu führen, dass sich de...