1. Arten testamentarischer Verfügungen
a) Allgemeines
Rz. 51
Die gewillkürte Erbeinsetzung ist dem finnischen Recht fremd. Nur die gesetzlichen Erben können Erben sein. Gleichwohl gibt es die Möglichkeit für den Erblasser, vollständig über seinen Nachlass zu verfügen.
b) Quotenvermächtnis und Stückvermächtnis
Rz. 52
Der Erblasser kann über seinen Nachlass in der Form von Vermächtnissen verfügen. Dabei sind Quotenvermächtnisse (yleistestamentti) und Stückvermächtnisse (erityisjälkisäädös/legaatti) zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist von Bedeutung für die Art der Beteiligung am Nachlass.
Rz. 53
Der mit einem Quotenvermächtnis Bedachte ist neben den Erben und dem überlebenden Ehegatten Nachlassbeteiligter. Der mit einem Stückvermächtnis Bedachte hat diesen Status nicht.
Rz. 54
Das Quotenvermächtnis setzt voraus, dass dem Bedachten das gesamte Eigentum, ein Bruchteil oder das Verbleibende nach Erfüllung aller sonstigen testamentarischen Verfügungen zugewandt wird.
Rz. 55
Das Stückvermächtnis hingegen setzt voraus, dass dem Bedachten ein bestimmter Gegenstand ohne Beschränkung, ein bestimmter Geldbetrag oder ein Gegenstand zu beschränktem Recht zugewandt wird.
c) Vermächtnis zu unbeschränktem Recht
Rz. 56
Das Vermächtnis zu unbeschränktem Recht (omistusoikeustestamentti) gibt dem Vermächtnisnehmer das Recht, unbeschränkt über das testamentarisch Verfügte zu verfügen.
d) Vermächtnis zu beschränktem Recht
Rz. 57
Das Vermächtnis zu beschränktem Recht (rajoitettu omistusoikeustestamentti) ähnelt der deutschen Vor- und Nacherbenregelung. Eheleute verwenden oft das Vermächtnis zu beschränktem Recht, um sich gegenseitig als Vermächtnisnehmer einzusetzen. Dabei wird der überlebende Ehegatte mit einem Vermächtnis zu beschränktem Recht bedacht, gleichzeitig aber eine weitere Person als Vermächtnisnehmer aufschiebend für den Fall des Versterbens des überlebenden Ehegatten bestimmt. Die Beschränkung liegt darin, dass es dem Erstbegünstigten, üblicherweise also dem überlebenden Ehegatten, untersagt ist, testamentarisch über das von seinem vorverstorbenen Ehegatten Erhaltene zu verfügen.
e) Nutzungsvermächtnis
Rz. 58
Das Nutzungsvermächtnis (käyttö-oikeustestamentti/hallintatestamentti) ist im 12. Kapitel des Erbrechtsgesetzes geregelt. Mit ihm wird dem Bedachten lediglich der Nießbrauch vermacht. Das Nutzungsvermächtnis wird in den Fällen verwandt, in denen einerseits die Position des Erstbegünstigten gesichert werden soll, andererseits auch sichergestellt sein soll, dass der Gegenstand des Vermächtnisses bestimmungsgemäß erhalten bleibt. Auch kann ein Nutzungsvermächtnis aus steuerlichen Gründen sinnvoll sein. Der mit einem Nutzungsvermächtnis Bedachte ist nicht erbschaftsteuerpflichtig. Die Erbschaftsteuer ist von demjenigen zu entrichten, der das Eigentumsrecht erhält. Dieser kann jedoch die Wertminderung aufgrund des Nutzungsrechtes in Abzug bringen. Der Verzicht auf ein bestehendes Nutzungsrecht hingegen wird als Schenkung eingeordnet und dementsprechend besteuert.
Rz. 59
Das Nutzungsvermächtnis kann sich auf den gesamten Nachlass, einen Bruchteil oder auf einen bestimmten Gegenstand beziehen. Sofern sich das Nutzungsvermächtnis nicht auf einen bestimmbaren Gegenstand bezieht, ist bei der Nachlassabwicklung der Gegenstand zu bezeichnen. Die Nachlassabwicklung sieht eine Nachlassverwaltung und eine Nachlassteilung vor. Nur so kann bestimmt werden, worauf sich das Nutzungsvermächtnis tatsächlich bezieht.
Rz. 60
Das Nutzungsvermächtnis wird in der Klassifizierung als Stückvermächtnis angesehen, unabhängig davon, ob sich das Nutzungsrecht testamentarisch formuliert auf einen Bruchteil des Nachlasses oder auf einen konkreten Gegenstand bezieht. Dies hat zur Folge, dass der mit einem Nutzungsvermächtnis Bedachte nicht Nachlassbeteiligter ist, sofern dies testamentarisch nicht ausdrücklich verfügt worden ist.
Rz. 61
Das Nutzungsvermächtnis gibt dem Bedachten das Recht, den Gegenstand zu nutzen und Zinsen und andere Früchte für sich zu verwenden. Dabei gelten für ihn folgende Einschränkungen (Ausnahmen möglich):
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Der Gegenstand muss bewahrt werden. |
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Sofern es sich um Geld handelt, darf dieses nicht spekulativ angelegt werden, sondern muss sicher und gewinnbringend angelegt werden (vgl. PK 12:5). |
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Es besteht ein Vermengungsverbot mit fremdem oder eigenem Vermögen. |
Rz. 62
Der Pflichtteilsanspruch wird in keinem Fall durch das Nutzungsvermächtnis eingeschränkt.
f) Auflage und Bedingung
Rz. 63
Testamentarische Auflagen und Bedingungen sind im finnischen Erbrecht nicht explizit geregelt, sie sind jedoch zulässig.
Rz. 64
Sofern eine Auflage oder Bedingung den Bedachten verpflichtet, gegen die guten Sitten zu verstoßen, damit er den ihm zubedachten Anteil erhält, ist zu differenzieren: Handelt es sich um eine auflösende Bedingung/Auflage, hat dies nicht die Unwirksamkeit des Vermächtnisses zur Folge. Vielmehr ist lediglich die entsprechende Bedingung/Auflage unwirksam. Sollte jedoch die als verboten eingestufte Auflage/Bedingung aufschiebender Natur sein, so hat dies die Unwirksamkeit des gesamten Vermächtnisses zur Folge, da die Entstehung eines Rechts nicht rechtlich bindend von einem Vorgang, welcher ge...