Leitsatz
a) Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf der freien Entscheidung desjenigen beruht, der von der anderen Vertragspartei mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird. Dazu ist erforderlich, dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.
b) Sind Vertragsbedingungen bei einvernehmlicher Verwendung eines bestimmten Formulartextes nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt, finden die §§ 305 ff. BGB auf die Vertragsbeziehung keine Anwendung.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1
Kommentar
Der BGH befasste sich mit der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen eine Allgemeine Geschäftsbedingung von einer Partei i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB als gestellt gilt. Zur Beurteilung stand ein Formularvertrag über den Verkauf eines gebrauchten Pkw zwischen Privatpersonen. Die Parteien hatten telefonisch erörtert, wer einen Formularvertrag besorgen sollte, und sich darauf geeinigt, dass dies von der Verkäuferin zu erledigen sei. Der verwendete Vertrag enthielt einen Gewährleistungsausschluss für Mängel. Die betreffende Klausel verstieß gegen § 309 Nr. 7 BGB. Der Rechtsstreit hing davon ab, ob die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB auch dann anzuwenden sind, wenn die Beschaffung des Vertragsformulars einer Partei überlassen wird und die andere Partei sodann mit der Verwendung des Vertragsmusters einverstanden ist. Der BGH hat hierzu die folgenden Grundsätze entwickelt.
Auch für Formularverträge zu beachten
Diese sind für alle Verträge, auch für Formularverträge über die Miete von Wohn- oder Geschäftsräumen von Bedeutung.
1. Die Regelungen der § 305 ff. BGB gelten für "Allgemeine Geschäftsbedingungen". Nach § 305 Abs. 1 BGB zählen hierzu alle "für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen". Verwenden die Parteien ein von einem Dritten entworfenes Vertragsmuster, sind die dort enthaltenen Klauseln als "Allgemeine Geschäftsbedingungen" anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag nur ein einziges Mal verwendet werden soll.
2. Die Vorschrift des § 305 Abs. 1 BGB setzt weiter voraus, dass der Verwender die vorformulierten Vertragsbedingungen der anderen Vertragspartei "stellt". Maßgeblich ist, auf wessen Initiative der Formularvertrag in die Verhandlungen eingeführt wurde und wer seine Verwendung verlangt hat.
3. Bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer (z. B. einem Wohnungsunternehmen) und einem Verbraucher (z. B. einem Wohnungsmieter) gilt gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB die gesetzliche Vermutung, dass der Unternehmer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellt hat. Diese Vermutung gilt nicht, wenn die Verwendung des Formularvertrags durch den Verbraucher verlangt worden ist. Hierfür ist der Unternehmer darlegungs- und beweispflichtig.
Verbraucherverträge ausgenommen
Für Verträge zwischen Verbrauchern (Privatleuten) gilt keine gesetzliche Vermutung.
4. Für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB spielt es keine Rolle, ob die eine Partei der anderen wirtschaftlich oder intellektuell überlegen ist. Maßgeblich ist allein, dass der Vertragspartner des Verwenders auf die Ausgestaltung der Geschäftsbedingungen keinen Einfluss nehmen kann.
5. Eine Partei ist nicht deshalb als Verwender anzusehen, weil sie durch eine bestimmte Klausel begünstigt wird. Der Inhalt einer Klausel ist grundsätzlich kein Kriterium für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB. Im Einzelfall kann allerdings aus dem Inhalt der Klausel auf eine bestimmte Marktstärke einer Partei geschlossen werden. Dies kann in Verbindung mit anderen Anhaltspunkten den Schluss auf die Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht rechtfertigen.
6. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, dass die §§ 305 ff. BGB nicht anzuwenden sind, wenn die Parteien ein Vertragsmuster verwenden, das auf dem Markt erhältlich ist und dessen Verwendung dem Willen beider Parteien entspricht. In einem solchen Fall hänge es letztlich vom Zufall ab, wer den Vertrag auswähle und dessen Verwendung vorschlage.
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Er führt jedoch aus, dass das Tatbestandsmerkmal des Stellens von Vertragsbedingungen nicht vorliegt, wenn die im Leitsatz a) formulierten Voraussetzungen gegeben sind, d. h. frei in der Auswahl der Texte oder dem Einbringen eigener Textvorschläge.
7. Einigen sich die Vertragsparteien auf eines von mehreren zur Auswahl stehenden Vertragsmustern, so ist streitig, ob keine der Parteien Verwender ist (Palandt/Grüneberg, § 305 BGB Rdn. 13), oder ob beide Parteien als Verwender anzusehen sind (Schlosser in: Staudinger (2006), § 305 BGB Rdn. 31). Der BGH stellt klar, dass diese Frage für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB keine Rolle spielt, weil diese Vorschriften nur die Rechtsbeziehungen zwischen einem Verwender und einer anderen Vertragspartei, nich...