Leitsatz
- Die in einem Formularmietvertrag enthaltene Klausel "Der Mieter kann nur mit solchen Zahlungen aus dem Mietverhältnis aufrechnen oder die Zurückbehaltung erklären, die entweder rechtskräftig festgestellt sind oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt" ist auch dann unwirksam, wenn der Mietvertrag mit einem Unternehmer abgeschlossen wurde.
- Dies gilt auch für Mietverträge, die vor Inkraftreten der Schuldrechtsreform geschlossen wurden.
Normenkette
BGB §§ 309 Nr. 3, 307
Kommentar
In dem zur Entscheidung stehenden Fall waren Räume zum Betrieb einer Zahnarztpraxis vermietet. Der Formularmietvertrag enthielt die im Leitsatz 1 wiedergegebe Klausel. In der Folgezeit hat der Mieter mit streitigen Schadensersatzforderungen gegen die Miete aufgerechnet. Der Vermieter hat die Mietforderung eingeklagt. Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Aufrechnung durch die mietvertragliche Klausel ausgeschlossen wird.
Dies wird vom BGH verneint, weil die Klausel gegen §§ 309 Nr. 3, 307 BGB verstößt:
1. Nach § 309 Nr. 3 BGB ist eine Klausel unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, "mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen". Das Berufungsgericht hat hierzu die Ansicht vertreten, dass die Zulassung der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen auch die Aufrechnung mit unstreitigen Forderungen umfasse. Diese Ansicht teilt der BGH nicht. Nach dem Wortlaut der Klausel sind von dem Aufrechnungsverbot lediglich zwei Fallgruppen ausgenommen, nämlich
- die Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen und
- die vom Vermieter zugelassene Aufrechnung.
Der BGH führt aus, dass von der letztgenannten Gruppe nur unstreitige Forderungen erfasst werden, weil kein Vermieter die Aufrechnung mit streitigen Forderungen zulassen wird. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung könne deshalb nicht zutreffen. Vielmehr habe die Klausel zur Folge, dass die Aufrechnung mit unstreitigen Forderungen nur dann möglich ist, wenn der Vermieter der Aufrechnung im Einzelfall zustimmt. Damit sei die Aufrechnung entgegen § 309 Nr. 3 BGB nicht mit allen unstreitigen Forderungen möglich.
2. Auf gewerbliche Mietverträge, die mit einem Unternehmer abgeschlossen werden, ist § 309 Nr. 3 BGB allerdings nicht anwendbar (§ 310 S. 1 BGB). Hierzu zählen auch Mietverträge über Räume zum Betrieb einer Zahnarztpraxis (§ 14 BGB). Jedoch ist auch bei diesen Mietverträgen § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu beachten (§ 310 S. 2 BGB). Danach sind Vertragsklauseln unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach der Auffassung des BGH stellt die Regelung des § 309 Nr. 3 BGB eine "konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots" des § 307 BGB dar, weil der Ausschluss der Aufrechnung mit unstreitigen Forderungen als eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners zu bewerten ist. Deshalb können Aufrechnungsbeschränkungen auch in Mietverträgen mit einem Unternehmer nicht wirksam vereinbart werden.
3. Vorliegend wurde der Mietvertrag vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1.1.2002 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt galten die Regelungen des AGBG. Hieraus ergibt sich allerdings keine andere Rechtsfolge. Klauseln der fraglichen Art in Mietverträgen mit Privatpersonen verstoßen gegen § 11 Nr. 3 AGBG; bei Mietverträgen mit Unternehmern liegt ein Verstoß gegen § 9 AGBG vor.
In dem Urteil vom 27.1.1993 (XII ZR 141/91) hatte der BGH folgende Klausel in einem Pachtvertrag über eine Gaststätte zu beurteilen:
"Auf das Recht zur Aufrechnung, Minderung (Herabsetzung des Pachtpreises) und Zurückhaltung verzichtet der Pächter, soweit dies gesetzlich zulässig ist und soweit nicht mit rechtskräftig festgestellten Forderungen die vorgenannten Rechte geltend gemacht werden."
Der BGH hat diese Klausel für wirksam erachtet und ausgeführt, der Zusatz "soweit dies gesetzlich zulässig ist" enthalte eine Bezugnahme auf zwingende Bestimmungen des AGBG. Damit werde klargestellt, dass der Pächter auch mit unstreitigen Forderungen aufrechnen kann.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 27.6.2007, XII ZR 54/05