Leitsatz

Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangenen Urteil könne wegen Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckt werden, kann nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgt werden. Dies gilt sowohl für die Gewährung der Restschuldbefreiung in Deutschland als auch erst recht für die Restschuldbefreiung durch ein ausländisches Insolvenzgericht.

BGH, 25.9.2008 – IX ZB 205/06

1 Der Fall

Restschuldbefreiung im Ausland

Der Gläubiger vollstreckt gegen den Schuldner Mietrückstände von über 46.000 EUR. Er hat zu diesem Zwecke mit einem PfÜB des AG Meißen Ansprüche des Schuldners gegen seinen Arbeitgeber, eine Rechtsanwaltskanzlei in London, gepfändet. Der Schuldner wehrt sich hiergegen mit der Erinnerung nach § 766 ZPO und macht geltend, dass ihm von High Court of Justice in London Restschuldbefreiung gewährt worden sei. Das AG hat darauf den PfÜB aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vor dem – nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG – ausnahmsweise zuständigen OLG hatte Erfolg. Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Schuldners dagegen blieb erfolglos.

2 Die Entscheidung

Wie macht der Schuldner RSB geltend?

Der Schuldner kann den Einwand, aufgrund der Entscheidung des High Court of Justice vom 2.10.2006 sei ihm die Restschuldbefreiung erteilt worden, aus dem Versäumnisurteil des LG Dresden vom 5.9.2005 könne daher nicht mehr vollstreckt werden, nur im Weg der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgen. Eine Geltendmachung der Restschuldbefreiung im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist unzulässig. Es handelt sich nicht um eine Einwendung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung.

In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, die Vollstreckbarkeit von Titeln gegen den Schuldner werde durch die Restschuldbefreiung unmittelbar beseitigt. Ein Vollstreckungsversuch sei gemäß § 775 Nr. 1 ZPO einzustellen. Der Schuldner könne als Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen (FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl., § 301 Rn 12). Nach anderer Ansicht soll die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO aus praktischen Erwägungen vorzugswürdig sein, weil sich zumindest der Verbraucherinsolvenzschuldner in der Lebenswirklichkeit zur Abwehr der Zwangsvollstreckung an das Vollstreckungsgericht – und gerade nicht an das Prozessgericht – wende (HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl., § 301 Rn 10).

Ganz überwiegend wird dagegen die Auffassung vertreten, es bedürfe für die Beseitigung der Vollstreckbarkeit eines vor Erteilung der Restschuldbefreiung ergangenen Titels einer gerichtlichen Feststellung. Der Schuldner müsse die Zwangsvollstreckung nach § 767 ZPO für unzulässig erklären lassen, falls ein Gläubiger nach Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens die Zwangsvollstreckung betreibe. Der BGH schließt sich dieser Auffassung an.

Keine Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans

Die Erteilung der Restschuldbefreiung ist keine vollstreckbare Entscheidung, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist. Ein Fall des § 775 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet aus. Die Aufzählung in § 775 Nr. 1 ZPO ist erschöpfend. Für das Vollstreckungsorgan, den Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht ist in der Regel aus dem vorgelegten Titel zusammen mit dem Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht eindeutig zu entnehmen, ob die titulierte Forderung tatsächlich von der Restschuldbefreiung erfasst wird. Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts zu entscheiden, ob die zu vollstreckende Forderung der Restschuldbefreiung unterliegt. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – der Beschluss eines ausländischen Insolvenzgerichts vorgelegt wird, aus dem sich die Erteilung der Restschuldbefreiung ergeben soll. Damit ist auch für die Anwendung des § 766 Abs. 1 S. 1 ZPO, mit dem nur Verfahrensverstöße gerügt werden können, nicht aber Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, kein Raum.

Die Restschuldbefreiung führt zur Entstehung einer unvollkommenen Verbindlichkeit, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (Begründung zu § 250 RegE-InsO BT-Drucks 12/2445, S. 195; AG Saarbrücken ZInsO 2002, 151). Diese Umgestaltung der Forderung bewirkt einen materiell-rechtlichen Einwand, der nur mit der Vollstreckungsgegenklage verfolgt werden kann. Die Beurteilung der Frage, ob diese Wirkung eingetreten ist, obliegt im Streitfall nicht dem Vollstreckungsgericht, sondern dem Prozessgericht.

3 Der Praxistipp

RSB durch zeitweilige Ausreise

Nach dem Sachverhalt des BGH hat die Restschuldbefreiung in England für den Schuldner nur ein Jahr in Anspruch genommen. Am 20.9.2005 wurde das Verfahren eröffnet und bereits am 2.10.2006 wurde festgestellt, dass das Verfahren am 20.9.2006 geendet hat. Dies lässt befürchten, dass Schuldner, insbesondere bösgläubige Schuldner, versuchen werden, durch eine zeitweilige Verlagerung ihres Wohnsitzes ins Ausland dort schneller un...

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