Leitsatz
Wenn für die Vermögenssorge des Schuldners ein Vertreter bestellt, nicht aber ein Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB angeordnet ist, hat das Vollstreckungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen, ob der Vertreter oder der Schuldner die eidesstattliche Offenbarungsversicherung abzugeben hat.
BGH, 14.8.2008 – I ZB 20/08
1 Der Fall
Muss Betreuerin e.V. abgeben?
Der GV hat die Betreuerin für die Vermögenssorge ohne Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB wegen einer titulierten Forderung gegen die Schuldnerin zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung über deren Vermögen geladen. Die von der Betreuerin hiergegen eingelegte Erinnerung hat das AG zurückgewiesen, ebenso wie das LG die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat. Auch die Rechtsbeschwerde vor dem BGH ist letztlich erfolglos geblieben.
2 Die Entscheidung
Die für die Vermögenssorge bei der Schuldnerin bestellte Betreuerin war, auch wenn kein Einwilligungsvorbehalt i.S. des § 1903 BGB angeordnet war, gemäß § 1902 BGB berechtigt, für die Schuldnerin die eidesstattliche Offenbarungsversicherung abzugeben.
Gericht hat Ermessen bei der Auswahl
Wenn mehrere Vertreter des Schuldners einzeln zu seiner Vertretung bei der Abgabe der Offenbarungsversicherung berechtigt, verpflichtet und geeignet sind, kann das Gericht nach wohl überwiegender Ansicht in entsprechender Anwendung der §§ 455 Abs. 1 Satz 2, 449 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen, dass einer von ihnen die Offenbarungsversicherung abzugeben hat. Die Gegenauffassung, wonach in einem solchen Fall alle Vertreter das verwaltete Vermögen offenbaren müssen, vernachlässigt, dass die Vertreter jeweils einzeln zur Vertretung berechtigt sind. Nicht anders zu beurteilen ist der Fall, dass sowohl der Schuldner selbst als auch ein Vertreter zur Abgabe der Offenbarungsversicherung berechtigt, verpflichtet und geeignet sind. Dies ist in Fällen der rechtlichen Betreuung i.S. der §§ 1896 ff. BGB insbesondere dann der Fall, wenn der Betreuer seinerseits in das Verfahren eingetreten ist (vgl. LG Osnabrück DGVZ 2005, 128). Nichts Abweichendes hat aber auch im Streitfall zu gelten; denn die Bestimmung des § 1903 BGB begründet nicht allein eine Berechtigung, sondern zugleich auch eine Verpflichtung des Betreuers zur Vertretung des Betreuten. Die Bestimmung der Betreuerin als derjenigen, die die eidesstattliche Offenbarungsversicherung über das Vermögen der Betreuten abzugeben hat, lässt keinen im Verfahren der Rechtsbeschwerde beachtlichen Ermessensfehler erkennen.
3 Der Praxistipp
Betreuung steht Forderungsausgleich nicht entgegen
Eine Vielzahl von Schuldnern ist heute nicht mehr in der Lage, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zuverlässig zu beurteilen und zu ordnen und hieraus abgeleitet auch ihre Schulden einer ordnungsgemäßen Tilgung zuzuführen. Zum Teil beruht dies auf psychischen Erkrankungen. Dies muss aber nicht bedeuten, dass bei einer geordneten Vermögensverwaltung die Schulden nicht zumindest teilweise zurückgeführt werden könnten. Nach § 1896 BGB können ggf. die Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung vorliegen.
Die Betreuung kann von dem Vormundschaftsgericht auch von Amts wegen angeordnet werden, so dass es dem Gläubiger möglich ist, gegenüber dem Vormundschaftsgericht den Sachverhalt anzuzeigen, der die Anordnung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge notwendig macht. Zuständig ist das Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner zur Zeit der Anregung wohnt, § 65 Abs. 1 FGG. Eine entsprechende Anregung kann auch gegenüber den Betreuungsbehörden, d.h. den Stadt- und Kreisverwaltungen erfolgen.
Betreuerbestellung kann Vorteil sein
Es kann im Interesse des Gläubigers liegen, wenn dem Schuldner in solchen Situationen ein Betreuer bestellt wird. Dies ermöglicht in der Regel eine professionelle Auseinandersetzung um den Forderungsausgleich.
Ist ein Betreuer bestellt, wie im Fall des BGH, so hat dies den Vorteil, dass eine Person die eidesstattliche Versicherung abgeben muss, die sich aufgrund ihres Aufgabenspektrums einen tatsächlichen Überblick zum Einkommen und Vermögen des Schuldners hat schaffen müssen und deshalb auch tatsächlich qualifizierte Auskünfte geben kann. Die Entscheidung des BGH sollte deshalb zum Anlass genommen werden, in Betreuungsfällen den GV grundsätzlich zu bitten, den Betreuer zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und Abgabe der e.V. zu laden.