Leitsatz
Die Herausgabeanordnung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss von Kontoauszügen ist zulässig. Kontoauszüge gehören zu den Urkunden im Sinne von § 836 Abs. 3 ZPO.
LG Landshut, 1.8.2008 – 34 T 1909/08
1 Der Fall
Verpflichtung des Schuldners aus PfÜB gestrichen
Der Gläubiger vollstreckt gegen den Schuldner wegen einer Geldforderung. Er hat aus diesem Grunde die Ansprüche des Schuldners gegen sein Kreditinstitut aus einer laufenden Kontokorrentverbindung gepfändet. Im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) hat er aufgeführt, dass der Schuldner die Kontoauszüge herauszugeben hat. Das Vollstreckungsgericht hat den PfÜB nur ohne diese Anordnung erlassen. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das LG angeordnet, den Beschluss um die Herausgabeanordnung zu ergänzen.
2 Die Entscheidung
Herausgabepflicht im PfÜB konkretisieren
Die gemäß § 836 Abs. 3 ZPO herauszugebenden Urkunden sind auf Antrag des Gläubigers in der Regel bereits in den PfÜB aufzunehmen (BGH NJW-RR 2006, 1576). Der Schuldner ist aufgrund der Pfändung und Überweisung einer Forderung gemäß § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO verpflichtet, dem Gläubiger die zur Einziehung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Diese Herausgabepflicht betrifft Urkunden, die den Gläubiger als zum Empfang der Leistung berechtigt legitimieren, sowie solche, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit oder Einredefreiheit dienen. Die Aufnahme einer Herausgabeanordnung im PfÜB ist dabei nicht davon abhängig, dass der Gläubiger darlegt, dass er an der Herausgabe der über die Forderung vorhandenen Urkunden im Einzelfall ein besonderes Rechtsschutzinteresse hat (BGH a.a.O.). Ob auch Kontoauszüge zu diesen Urkunden gehören, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Das LG schließt sich der Auffassung an, dass sich § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO auch auf Kontoauszüge erstreckt. Aus dem Sinn und Zweck des § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO folgt, dass die Vorschrift weit auszulegen ist. Aus der genannten Vorschrift ergibt sich überdies, dass der Schuldner die primäre Auskunftsquelle für den Gläubiger sein soll, von dem Letzterer sich die erforderlichen Informationen und Urkunden beschaffen kann. In seinem Urteil vom 8.11.2005 – XI ZR 90/05 – führt der BGH aus, dass der Gläubiger sich gegebenenfalls auch Kontoauszüge beschaffen kann, falls ihm die Auskünfte, die er von dem Drittschuldner nach § 840 ZPO oder als Auskunft aufgrund des unselbstständigen Anspruchs erhalten hat, nicht genügen (NJW 2006, 217, 218). In seiner weiteren, oben zitierten Entscheidung vom 28.6.2006 führt der BGH aus, dass gegen die Herausgabeanordnung nicht eingewandt werden kann, der Gläubiger könne in der Regel auf einfacherem Weg die zur Ermittlung der Höhe der gepfändeten Forderung erforderlichen Informationen erlangen. Die Verpflichtung des Drittschuldners nach § 840 Abs. 1 ZPO, dem Gläubiger eine Erklärung über die Forderung, bestehende Ansprüche Dritter sowie vorrangige Pfändungen anderer Gläubiger abzugeben, sei nicht einklagbar. Eine Auskunft oder Zahlungszusage des Drittschuldners sei zudem nicht in gleicher Weise geeignet, dem Gläubiger hinreichende Gewissheit über den Umfang der gepfändeten Forderung zu verschaffen.
Aus diesen Ausführungen schließt die Kammer, dass die Drittschuldnerauskunft nach § 840 ZPO entgegen der Auffassung des LG Stuttgart (Rpfleger 2008, 211 = ZVI 2008, 386) nicht zunächst vorrangig ist.
Der PfÜB ist daher um die beantragte Anordnung zu ergänzen. Dem Schuldner bleibt die Möglichkeit, im Wege der Erinnerung gemäß § 766 ZPO gegen die Anordnung hinsichtlich der Herausgabe der Kontoauszüge vorzugehen. In diesem Fall wäre dann eine Abwägung inzwischen den Gläubiger- und Schuldnerinteressen zu treffen und zu entscheiden, ob die Aufrechterhaltung dieser Anordnung tatsächlich nötig ist.
3 Der Praxistipp
Entscheidung für die Praxis nutzen!
Der Entscheidung ist in vollem Umfange zuzustimmen. Aus dem Vollstreckungstitel und dem damit gegenüber dem Gläubiger begründeten Schuldverhältnis sui generis erwächst dem Schuldner eine Verpflichtung, aktiv am Forderungsausgleich mitzuwirken und dem Gläubiger die Beitreibung einer gepfändeten Forderung zu ermöglichen. Hierzu gehört es, dass der Gläubiger die Kontoauszüge erhält, damit er kontrollieren kann, ob die Bank die positiven Salden an ihn abgeführt hat oder etwa bei einem gepfändeten Dispositionskredit bei einem vom Schuldner veranlassten Abruf, etwa der Ausführung eines nicht stornierten Dauerauftrages zur Abbuchung der Miete, die entsprechend abgerufenen Mittel an ihn ausgekehrt hat.
Andere Auffassung überzeugt nicht
Soweit das LG Stuttgart dem entgegenhält, dass damit die Gefahr besteht, dass der Gläubiger Informationen über andere Ansprüche des Schuldners aufgrund von bestimmten Zahlungsströmen erhält, vermag dies die Verweigerung der Herausgabe der Kontoauszüge nicht zu begründen. Diese Auffassung übersieht nämlich, dass der Schuldner ...