Eine Pfändung kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten ist, wenn der Gläubiger anbietet, sich den Pfändungsgegenstand zu einem Anrechnungspreis übereignen zu lassen, der die zu erwartenden Kosten übersteigt.
LG Waldshut-Tiengen, 30.12.2008 – 1 T 195/08
I. Der Fall
Pkw nicht gepfändet – Kosten der Verwertung 800 EUR
Der Gläubiger begehrt die Pfändung und Versteigerung eines Pkw des Schuldners, die von der GV gemäß § 803 Abs. 2 ZPO abgelehnt wurden, da ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten sei. Die Kosten schätzt die GV auf 800 EUR, eine Schätzung des Fahrzeugwerts wurde nicht beziffert.
Gläubiger legt Erinnerung ein…
Gegen die Ablehnung legte der Gläubiger Erinnerung ein und beantragte gleichzeitig die Herausgabe des Fahrzeugs an sich gegen Vornahme einer Abschreibung von 800 EUR auf die Forderung. Das AG wies die Erinnerung zurück.
II. Die Entscheidung
…und hat vor dem LG Erfolg
Der Schutz des Schuldners darf im Rahmen des § 803 ZPO nicht übersteigert werden. Die Ablehnung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn sicher ist, dass sie keinerlei Aussicht auf Erfolg hat (LG Göttingen v. 21.4.1986, 5 T 48/86). So darf ein GV die Pfändung eines Pkw mit einem Schätzwert von 1.200 DM nicht mit der Begründung verweigern, die Vollstreckung werde im Ergebnis einen nennenswerten Erlös für den Gläubiger nicht bringen, da dem Gläubiger die entsprechende Chance nicht von vorneherein genommen werden darf (AG Goslar v. 14.8.1998, 10a M 747/98). Bereits bei Anwendung dieser Grundsätze ist fraglich, ob die Ablehnung der Vollstreckungsmaßnahmen gerechtfertigt war. Die GV schätzt die Vollstreckungskosten auf 800 EUR, wobei sich allerdings die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens für 200 EUR nicht ohne weiteres erschließt.
Schätzungen des GV schon fraglich
Zudem hat der Gläubiger unter Vorlage entsprechender Internet-Ausdrucke dargelegt, dass dort vergleichbare Fahrzeuge für einen Preis von ca. 1.400 EUR angeboten werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Angebotspreise über den tatsächlich zu erzielenden Kaufpreisen liegen, besteht eine erhebliche Differenz zu den veranschlagten Kosten. Dabei erscheint es auch nicht gerechtfertigt, von vornherein davon auszugehen, dass eine Verwertung nur zu dem Mindestgebot, also der Hälfte des geschätzten Wertes, möglich sein wird.
Dazu: Gläubiger hatte Übernahme angeboten
Letztlich kann dies aber dahinstehen, da eine Pfändung aus den Gründen des § 803 Abs. 2 ZPO jedenfalls dann nicht abgelehnt werden kann, wenn – wie hier – der Gläubiger anbietet, sich einen zu pfändenden Gegenstand zu einem Anrechnungspreis übereignen zu lassen, der die zu erwartenden Kosten der Zwangsvollstreckung übersteigt (LG Köln v. 24.10.1987, 10 T 150/87; AG Walsrode v. 9.3.1984, 8 M 1857/83). Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn eine entsprechende Absicht des Gläubigers nur möglich erscheint, aber noch nicht feststeht (vgl. AG Bad Hersfeld v. 5.7.1993, 5 M 460/93). Nachdem hier die zu erwartenden Kosten der Zwangsvollstreckung unter den von dem Gläubiger bereits angebotenen Anrechnungspreis von 800 EUR liegen, musste die Gerichtsvollzieherin die beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchführen.
III. Der Praxistipp
Arbeit der GV überzeugt nicht
Es ist verwunderlich, dass so wenige Pkw gepfändet werden. Auch insgesamt bleiben die Sachpfändungen weit hinter den Erwartungen des Gläubigers zurück. So kam es im Jahre 2008 nur in 0,117 % aller Fälle (6,5 Mio.!) zu Versteigerungen gepfändeter beweglicher Habe des Schuldners durch die GV. Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass einerseits die Schätzpreise zu niedrig angesetzt werden, andererseits exorbitante Vorschüsse verlangt werden.
Liegen Voraussetzungen des § 803 Abs. 2 ZPO wirklich vor?
Über § 803 Abs. 2 ZPO wird dann die Pfändung und Verwertung verweigert. In beiden Belangen hat das deutsche Gerichtsvollzieherwesen Nachholbedarf.
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Der GV muss zur Kenntnis nehmen – und hierauf kann der Gläubiger ihn hinweisen –, dass inzwischen über das Internet ein Gebrauchtwarenmarkt existiert, der eine Veräußerung gebrauchter Gegenstände mit ihrem Verkehrswert erlaubt. |
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Zugleich erlaubt das Internet aufgrund der Vielzahl von Angeboten auch eine sachgerechte Bewertung der Gegenstände. Der Gläubiger sollte auf diese Möglichkeit unbedingt hinweisen. |
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Nach dem Gesetz zur Internetversteigerung erlaubt § 814 ZPO seit dem 5.8.2009, dass der GV einen gepfändeten Gegenstand über das Internet versteigert. Schon die wenigen bisher durchgeführten Versteigerungen zeigen, dass das zuschlagfähige Gebot deutlich über dem Mindestgebot liegt, es teilweise um ein Vielfaches übersteigt. So wurde auf dem entsprechenden Portal (www.justiz-auktion.de) ein Vorwerk-Staubsauger mit einem Mindestgebot von 75 EUR für 400 EUR ersteigert. |
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Der Gläubiger selbst kann die Verwahrung des Gegenstandes, möglicherweise über ein Außendienstunternehme... |