I. Die ganz alltägliche Ausgangssituation oder: gar kein Jura
Win-win-Situation: Lassen Sie uns über die Situation sprechen …
Wer mit Schuldnern persönlich spricht, ist nicht selten überrascht, dass sie nicht von Zahlungsunwilligkeit geprägt sind und dass sie auch nicht alle Forderungen für unberechtigt und unbegründet halten. Das Gegenteil ist der Fall: Sie fühlen sich vom Ausgleich unstreitiger Forderungen im Angesicht angespannter finanzieller Angelegenheiten schlicht überfordert. Das Gespräch mit dem Gläubiger, dem Rechtsanwalt oder dem Inkassodienstleister erscheint unangenehm; eine Lösung ist aus Sicht des Schuldners nicht in Sicht. Wer wird schon gern mit seinen Fehlern konfrontiert?
… immer dann, wenn der Schuldner nicht spricht
So wird auf schriftliche Mahnungen nicht reagiert, fernmündlichen Kontaktaufnahmen verschließt man sich oder die dortigen Absprachen werden nicht richtig erfasst und zwangsläufig nicht umgesetzt. Wäre die Forderung tatsächlich immer unberechtigt, überraschend oder einwendungsbehaftet, läge nichts näher, als sie zu bestreiten. Es gehört zum Allgemeinwissen, dass der Gläubiger seine Forderung beweisen muss.
Wo liegt also ein Weg? Eine Lösung kann in einem persönlichen Gespräch vor Ort gesehen werden. Gilt nicht auch im sonstigen Leben, dass im persönlichen Gespräch meist die beste Lösung gefunden werden kann? Das vermeidet aus Erfahrung sehr häufig die Titulierung und Vollstreckung und die damit verbundenen Kosten, die weder den Gläubiger noch den Schuldner der Befriedigung der Forderung einen Schritt näherbringen.
Alternativen zum Außendienst?
Vorgerichtlich gibt es keine Alternative zum persönlichen Gespräch durch den Gläubiger oder einen von ihm beauftragten Rechtsdienstleister im Außendienst, wenn der Schuldner auf eine schriftliche oder fernmündliche Ansprache nicht reagiert. Allein nachgerichtlich kann der Gerichtsvollzieher beauftragt werden. Ist zu erwarten, dass der Schuldner Widerstand leistet oder einer gütlichen Ansprache nicht zugänglich ist, ist das für die Praxis auch unumgänglich. Ein Außendienstbesuch ohne Lösungsperspektive macht keinen Sinn.
Sicherungsinteressen ernst nehmen
Auch wenn die Forderung tituliert ist, reagiert der Schuldner auf eine seine Belange wie die Sicherungsinteressen des Gläubigers berücksichtigende Ansprache im Außendienst meist positiver als auf die Ansprache durch einen Gerichtsvollzieher. So liegt die Quote der hier geschlossenen und erfüllten Zahlungsvereinbarungen deutlich höher als im gerichtlichen Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher.
Das liegt auch an den – leider – beschränkten Kompetenzen des Gerichtsvollziehers. Er kann nach § 802b ZPO nur eine Zahlungsvereinbarung (Ratenvereinbarung ohne sonstige Regelungen) schließen. Das entspricht aber regelmäßig nicht den Sicherungsinteressen des Gläubigers etwa im Hinblick auf eine verjährungsverlängernde Vereinbarung oder Sicherungsabtretungen, die einer ohne gütliche Einigung ausgebrachten Pfändung entsprechen würden. Deshalb schließen Gläubiger die reine Zahlungsvereinbarung bei der Beauftragung von Rechtsdienstleistern häufig aus. Wird ihnen ein Außendienstbesuch mit einer qualifizierten Vereinbarung offeriert, zeigen sie sich gegenüber einer gütlichen Erledigung eher aufgeschlossen.
Hinweis
Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber den Gerichtsvollziehern – auf der Grundlage einer verbesserten Ausbildung – mehr Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung von Zahlungsvereinbarungen mit Sicherungsrechten geben würde.
Lebenswirklichkeiten wahrnehmen
Den Gerichtsvollzieherprotokollen lässt sich regelmäßig nur wenig zur wirklichen Lebenssituation des Schuldners entnehmen. Die GV-Protokolle sind meist formelhaft und vorgedruckt, was dem Zeitdruck geschuldet sein dürfte. Die Quote der gütlichen Einigungen ist im Außendienst deutlich höher, die Ratenstabilität dauert länger an und die Raten sind gleichermaßen angemessen, weil der Gläubiger einen unmittelbaren Eindruck von der Lebenssituation des Schuldners erhält.
Aufenthaltsermittlung
Ein weiterer Einsatzschwerpunkt des Außendienstes liegt in der Aufenthaltsermittlung. Trotz der Abfrage der gängigen Auskunftssysteme (EMA, Auskunfteien wie Creditreform, CRIFF-Bürgel, Infoscore, Regis24, Postadress etc.) bleibt die aktuelle Anschrift nicht selten unbekannt. Für den Gerichtsvollzieher sieht § 755 ZPO allein für den nachgerichtlichen Bereich eine Ermittlung anhand von Registern vor. Eine Ermittlung vor Ort als Regelbefugnis fehlt. Registereintragungen kann sich der Schuldner aber leicht – böswillig, aber auch aus Nachlässigkeit – entziehen. Dagegen lässt sich im Umfeld der bisherigen Adresse – beispielsweise bei Nachbarn, Hausmeistern oder Vermietern – mit einer hohen Erfolgsquote der neue Aufenthaltsort in Erfahrung bringen. So müssen etwa eine Nebenkostenabrechnung oder die Post noch nachgesendet werden oder es gibt schlicht noch eine persönliche Verbundenheit. Dafür muss nicht darüber gesprochen werden, dass der Schuldner offene Forderungen hat. Ein Gerichtsvollzieher scheitert hier schon an der fehlenden Bestimmba...