I. Das Problem

Gerichtsvollzieher soll vorläufige Zahlungsverbote zustellen

Wir vertreten regelmäßig Gläubiger titulierter Forderungen. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung fordern wir den Drittschuldner auf, Auskunft zu erteilen. In unseren vorläufigen Zahlungsverboten steht zum Schluss:

 

"Nach der Zustellung des Pfändungsbeschlusses hat der Drittschuldner nach § 840 ZPO die Verpflichtung zu erklären:"

1. ob und wieweit

2. ob und welche Ansprüche etc. …“

Wir schreiben bewusst nicht: "nach Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbotes", sondern: "nach Zustellung der Pfändung" hat der Drittschuldner …“

GV lehnen die Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbotes ab

Unsere vorläufigen Zahlungsverbote werden in letzter Zeit allerdings abgelehnt, weil "… das vorläufige Zahlungsverbot nicht mit Aufforderung zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung verbunden werden darf. Die Vorpfändung nach § 845 ZPO begründet keine Auskunftspflicht oder Auskunftsobliegenheit des Drittschuldners nach § 840 ZPO. Da der Drittschuldner nicht zur Auskunft verpflichtet ist, ist die Zustellung nach § 29 Abs. 2 GVGA abzulehnen (vgl. Beschl. d. AG Bonn v. 27.7.2021 – 22 M 1454/21)."

Kosten für die Ablehnung:

6,60 EUR/Zus. Begl. KV 100–102/600

3,00 Auslg. Pauschale KV 716“.

Wir fragen uns, ob die Ablehnung zu Recht erfolgt. Die Begründung passt doch schon gar nicht.

II. Die Lösung

Das vorläufige Zahlungsverbot

Schon vor der Pfändung kann der Gläubiger nach § 845 Abs. 1 S. 1 ZPO aufgrund eines vollstreckbaren Schuldtitels durch den Gerichtsvollzieher dem Drittschuldner und dem Schuldner die Benachrichtigung, dass die Pfändung bevorstehe, zustellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und mit der Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten.

 

Hinweis

Der Vorteil des vorläufigen Zahlungsverbotes liegt darin, dass der Schuldner einen ersten (zulässigen) Vollstreckungsdruck spürt. Diese Ernsthaftigkeit des weiteren Vorgehens motiviert viele Schuldner, mit dem Gläubiger oder seinem Bevollmächtigten Kontakt aufzunehmen, um eine gütliche Einigung – eine Zahlungsvereinbarung – zu treffen. Kombiniert mit der Abtretung des Anspruchs wird so auch für den Schuldner kostengünstig eine Lösung gefunden, die den Gläubiger gleichzeitig hinreichend sichert.

Gerichtsvollzieher fertigt das Benachrichtigungsschreiben

Dabei kommen zwei Arten der Abläufe in Betracht:

Der Gerichtsvollzieher kann mit dem Modul J des verbindlichen Gerichtsvollzieherauftragsformulars nach der GVFV nach §§ 802a Abs. 2 Nr. 5, 845 Abs. 1 S. 2 ZPO beauftragt werden, das Benachrichtigungsschreiben zu fertigen und dieses dann zuzustellen. Das kann sich etwa empfehlen, wenn ohne Zeitverlust auf die Angabe eines Kontos bei der für mehrere Gläubiger angesetzten Abnahme der Vermögensauskunft reagiert werden soll.

 

Hinweis

Für die Herstellung des Benachrichtigungsschreibens erhält der Gerichtsvollzieher nach der zum 1.11.2021 wirksam gewordenen linearen Erhöhung der Gerichtsvollziehergebühren um 10 % nach Nr. 200 KV GvKostG eine Gebühr von 17,60 EUR. Hinzu kommen die Kosten für die Zustellung per Post (sonstige Zustellung) nach Nr. 101 KV GvKostG von 3,30 EUR und auf die summierten Gebühren von 20,90 EUR (17,60 EUR + 3,30 EUR) die Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG mit 20 % der Gebühren, d.h. weiteren 4,18 EUR. Dazu kommen die Kosten der Post für die Zustellungsurkunde von aktuell 4,11 EUR. Das vorläufige Zahlungsverbot kostet in dieser Variante den Gläubiger also 29,19 EUR

Gläubiger fertigt das Benachrichtigungsschreiben

In diesem Fall handelt der Gerichtsvollzieher aufgrund der eigenständigen Fertigung des Benachrichtigungsschreibens wohl als Vollstreckungsorgan (a.A. Thomas/Putzo/Seiler, § 845 Rn 4, der den Gerichtsvollzieher als Vertreter des Gläubigers ansieht). Das ergibt sich aus § 802a Abs. 2 Nr. 5 ZPO. Aus der Herstellungsobliegenheit und der Annahme der Tätigkeit als Vollstreckungsorgan ergibt sich zugleich, dass er die Hoheit über den Inhalt des Benachrichtigungsschreibens hat. Das entspricht § 126 Abs. 3 der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisungen (GVGA).

Der Gläubiger bzw. sein Bevollmächtigter können das Benachrichtigungsschreiben aber auch selbst erstellen und dem Gerichtsvollzieher insoweit nur einen Zustellungsauftrag erteilen.
 

Hinweis

In diesem Fall muss das amtliche Formular nach der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung (GVFV) nicht genutzt werden. Nach § 1 Abs. 2 GVFV gilt der Formularzwang für einen Auftrag, der ausschließlich die Zustellung eines Schriftstücks zum Inhalt hat, nicht.

Die eigene Herstellung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Informationen über das Konto oder den Arbeitgeber nicht aus dem Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft oder einem sonstigen Gerichtsvollzieherauftrag stammen. Dem letztlich haftenden Schuldner wie dem vorfinanzierenden Gläubiger werden so Kosten erspart.

 

Hinweis

In dieser Variante fallen nur die Zustellungsgebühr nach Nr. 101 KV GvKostG von 3,30 EUR, ...

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