Leitsatz
1. Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Für den Nachweis des unbekannten Aufenthaltsorts i.S.d. § 185 Nr. 1 ZPO gelten bei der Zustellung einer Ladung zum Termin der Abgabe der Vermögensauskunft dieselben – strengen – Voraussetzungen wie im Erkenntnisverfahren. Für die öffentliche Zustellung der Rechtsbeschwerdeschrift und der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift gelten keine geringeren Anforderungen als für die öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft, über die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu entscheiden ist.
2. Welche Ermittlungen geeignet und zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Mit Blick auf die Umstände des Streitfalls ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht – über die bereits erfolgten Anfragen beim Einwohnermelde- und Gewerbeamt des letzten bekannten Wohnsitzes des Schuldners hinaus – weitere Versuche zur Anschriftenermittlung bei der Deutschen Rentenversicherung und dem Kraftfahrt-Bundesamt für geeignet und zumutbar gehalten hat. Der Gläubiger hat zudem eine eigene Internetrecherche durchzuführen, eine Anschriftenprüfung bei der Deutschen Post AG zu veranlassen sowie seine Anfragen beim Einwohnermelde- und Gewerbeamt zu aktualisieren. Ergeben sich aus den genannten Quellen weitere Ermittlungsansätze, ist auch diesen nachzugehen.
BGH, Beschl. v. 19.5.2022 – I ZB 73/21
1 Der Praxistipp
Was hilft die öffentliche Zustellung?
Das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft nach §§ 802c, 802d, 802f ZPO dient der Informationsbeschaffung. Nun weiß jeder Praktiker, dass die öffentliche Zustellung am Ende immer eine Fiktion bleibt und in der Regel nicht zu einer aktiven Verfahrensbeteiligung des Adressaten der Zustellung führt. Das Ziel der Informationsbeschaffung durch eine Eigenauskunft des Schuldners kann auf diese Weise also im Ergebnis nicht erreicht werden. Warum dann also der Aufwand der öffentlichen Zustellung?
Der Gläubiger hat die auf die öffentliche Zustellung zu erwartende Nichtabgabe der Vermögensauskunft als Durchgangsstation gesehen, um sodann nach § 802l ZPO eine Drittauskunft der dort genannten Auskunftsbehörden zu erhalten und so zugriffsfähiges Vermögen des Schuldners zu ermitteln.
Gesetzesänderung hat Stellung des Gläubigers verbessert
Dabei ist zu sehen, dass die Entscheidung einen Fall vor der Änderung von § 802l ZPO betrifft. Nach der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung setzte die Einholung von Drittauskünften voraus, dass der Schuldner die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat oder nach der abgegebenen Vermögensauskunft eine Befriedigung nicht zu erwarten ist. Inzwischen und mit Wirkung ab dem 1.1.2022 hat der Gesetzgeber diese Voraussetzungen differenzierter ausgestaltet.
Gläubiger muss keine öffentliche Zustellung beantragen
Nach der aktuellen Fassung der Norm sind die Drittauskünfte auch dann einzuholen, wenn die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Schuldner nicht zustellbar ist und
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die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Abs. 1 und 2 ZPO genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder |
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die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist, oder |
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die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erteilung des Vollstreckungsauftrags die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist. |
Der Gesetzgeber hat die strengen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die öffentliche Zustellung also als zu weitgehend angesehen, um zu der Einholung von Drittauskünften zu gelangen. Im Fall des BGH hätte die von dem Gläubiger vorgelegte Negativauskunft des zuständigen Einwohnermeldeamts also ausgereicht, um unmittelbar die Drittauskünfte zu beantragen. Auch die damalige Forderung des Gerichtsvollziehers, ihn zunächst nach § 755 ZPO zu beauftragen, ist heute ohne Grundlage.
Titulierte Forderungen gegen unbekannt verzogene Schuldner aus dem Keller holen
Insgesamt zeigt die neue Gesetzeslage also, dass der Schuldner sich durch die Verschleierung seines Aufenthaltsorts allein nicht dem Vollstreckungszugriff entziehen kann. Drittauskünfte können auf dieser Grundlage eingeholt werden. Es bedarf dabei keiner über die einfache Einwohnermeldeamtsanfrage hinausgehenden kostenintensiven Ermittlungen zum Aufenthaltsort mehr und auch die Kosten einer – nicht erledigten – Abnahme der Vermögensauskunft können erspart werden. Vielmehr kann unmittelbar zum Antrag nach § 802l ZPO übergegangen werden.
Beispiel zum Ausfüllen von Modul N und Modul Q
Dem Gerichtsvollzieher werden folgende Hinweise gegeben und es werden folgende Vorgaben gemacht:
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… |
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Aus der Anlage ergibt sich, dass die Meldebeh... |