Leitsatz
Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.
BAG, Beschl. v. 25.8.2022 – 8 AZR 14/22
1 Der Fall
Arbeitgeber zahlt Corona-Prämie
Der Beklagte betreibt eine Gaststätte. Er zahlte an seine Beschäftigte, die Schuldnerin, die als Küchenhilfe eingestellt war, aber auch als Thekenkraft eingesetzt wurde, im September 2020 neben dem Monatslohn i.H.v. 1.350 EUR brutto und Sonntagszuschlägen i.H.v. 66,80 EUR brutto eine Corona-Prämie i.H.v. 400 EUR.
Insolvenzverwalter will das berücksichtigt wissen
Über das Vermögen der Schuldnerin war im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Für den Monat September errechnete die Klägerin aus dem Monatslohn sowie der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag i.H.v. 1.440,47 EUR und forderte den Beklagten erfolglos zur Zahlung eines aus ihrer Sicht pfändbaren Betrags i.H.v. 182,99 EUR netto auf.
Mit ihrer Klage vertritt die Insolvenzverwalterin die Auffassung, dass die Corona-Prämie pfändbar sei. Anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a VIII.4 SGB XI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe, bestehe für eine Sonderzahlung wie hier keine Unpfändbarkeitsregelung. ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen. Nun hatte das BAG über die zugelassene Revision zu entscheiden
2 II. Aus der Entscheidung
Freiwillige Corona-Prämie als Erschwerniszulage mit Voraussetzungen
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 182,99 EUR nebst Zinsen. Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.
Corona-Prämie ist zunächst (gepfändeter) Arbeitslohn
Zwar war über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Die Schuldnerin hatte gegen den Beklagten im September 2020 auch unstreitig einen Anspruch auf Leistung einer Corona-Sonderzahlung i.H.v. 400 EUR und damit auf in Geld zahlbares Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 1, 2 und 4 ZPO erworben. Soweit der Beklagte der Schuldnerin im Januar 2021 eine neue Lohnabrechnung für September 2020 erteilte, in der er die "Corona-Unterstützung" i.H.v. 400 EUR wieder in Abzug brachte, konnte er sich hierdurch nicht nachträglich einseitig von der vorbehaltlos zugesagten Leistung lösen.
Aber: Bestimmte Anteile des Arbeitseinkommens sind unpfändbar
Die Forderung der Schuldnerin gegen den Beklagten auf Zahlung der "Corona-Unterstützung" gelangte jedoch wegen Unpfändbarkeit nicht in die Insolvenzmasse der Schuldnerin. Nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse, wobei nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO entsprechend gelten. Die vom Beklagten an die Schuldnerin geleistete "Corona-Unterstützung" ist als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Nach § 850 Abs. 1 ZPO kann Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO gepfändet werden.
Die vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlte "Corona-Unterstützung" ist nicht nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbar. Nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbar sind die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und Treu(e)gelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.
Der Beklagte hat die "Corona-Unterstützung" aber weder als zusätzliche Leistung für die Dauer eines Urlaubs der Schuldnerin i.S.v. § 850a Nr. 2 ZPO noch als Zuwendung aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses i.S.v. § 850a Nr. 2 ZPO erbracht. Unter den Begriff der Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses fallen Sonderleistungen, die der Arbeitgeber nicht regelmäßig, sondern aus einem bestimmten, besonderen Anlass, z.B. einem Betriebsjubiläum oder einem ganz außergewöhnlichen Erfolg des Betriebes gewährt (BAG 30.72008 – 10 AZR 459/07). Die vom Beklagten erbrachte Leistung hatte indes keinen Bezug zu einem (Betriebs-)Ereignis im Betrieb des Beklagten.
Bei der vom Beklagten gezahlten "Corona-Unterstützung" handelt es sich auch nicht um ein Treu(e)geld i.S.v. § 850a Nr. 2 ZPO. Treu(e)gelder sind die einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus Anlass langjähriger Betriebszugehörigkeit gewährten Zuwendungen, insbesondere Zahlungen anläss...