Wenn das AG durch den Rechtsmitteldschungel irrt …
Die sofortige Beschwerde ist der statthafte Rechtsbehelf, §§ 793, 567 Abs. 1 ZPO. Zwar lautet der Tenor der angegriffenen Entscheidung dahingehend, der Erinnerung nicht abzuhelfen (vgl. zum Tenor der Erinnerungsentscheidung Anders/Gehle/Vogt-Beheim, ZPO, Kommentar, 81. Aufl. 2023, § 766 Rn 38 – Zurückweisung). Indes zeigen die Gründe und die Rechtsbehelfsbelehrung unzweifelhaft, dass das AG über die Erinnerung in der Sache zu entscheiden beabsichtigte. Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hielt die Gläubigerin die zweiwöchige Beschwerdefrist ein, § 569 Abs. 1, 2 ZPO.
LG folgt der Argumentation des Gläubigers
Die begehrten Drittauskünfte dürfen gemäß § 802l Abs. 2 S. 2 Nr. 1c ZPO nicht verweigert werden. Auf die beiden weiteren alternativen Antragsrechte stützt die Gläubigerin ihren Vollstreckungsauftrag ersichtlich nicht, § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 3 ZPO.
Die Antragsvoraussetzungen
Zunächst müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erfüllt und die Datenerhebung zur Vollstreckung erforderlich sein, § 802l Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO. Daneben ist die Einholung von Drittauskünften nur zulässig, wenn die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht zustellbar ist und zusätzlich die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erteilung des Auftrags die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist.
Titel, Klausel, Zustellung und Erforderlichkeit gegeben
Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung sind erfüllt, insbesondere legte die Gläubigerin einen ordnungsgemäßen Titel vor. Da ihr weitere Informationen über den Verbleib des Schuldners unbekannt und Forderungsteile offen sind, stellen sich die Drittauskünfte auch als für die Zwangsvollstreckung erforderlich dar.
Zustellung der Ladung zur Abnahme der VA ist keine Voraussetzung
Auch die besonderen Voraussetzungen der Drittauskunft nach § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1c ZPO sind erfüllt. Zutreffend weist das AG noch darauf hin, dass der vollstreckende Gläubiger nicht – selbst – einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft, § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO, gestellt haben muss, um einen Drittauskunftsanspruch geltend zu machen (vgl. bereits zum alten Recht ausdrücklich BGH DGVZ 2021, 116 (117 ff.)).
Anders als das Ausgangsgericht meint, ist indes ein – erfolgloser – Zustellversuch der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft gerade keine Voraussetzung für einen Drittauskunftsanspruch nach § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1c ZPO. Dieses Erfordernis lässt sich weder dem Wortlaut der Norm noch dem systematischen Gesamtzusammenhang entnehmen.
Wortlaut der Norm
Einleitend stellt die Vorschrift in § 802l Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ZPO darauf ab, dass die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht zustellbar ist. Die Verwendung des Präsens zeigt, dass nicht zwingend ein Zustellversuch unternommen worden und erfolglos geblieben sein muss. Andernfalls hätte das Gesetz eine Vergangenheitsform genutzt.
Unterstützt durch systematische Überlegungen
Dieses Ergebnis bestätigen systematische Betrachtungen: § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1a und b liegt die Erwägung zugrunde, dass sich erst anlässlich des Zustellversuchs – nicht notwendigerweise durch den die Drittauskunft begehrenden Gläubiger – herausstellt, dass der Schuldner nicht mehr an der bekannten Zustelladresse anzutreffen ist. Im Rahmen von § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1a ZPO war der Meldebehörde zunächst nicht bekannt, dass der Schuldner verzogen ist, bei § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1b ZPO indes schon, sie kennt nur keine neue Adresse. Den dritten – hier einschlägigen – Fall notwendiger Drittauskünfte normiert Buchstabe c: Es ist von vorneherein – also vor einem etwaigen Zustellversuch – aufgrund von Auskünften nach § 755 Abs. 1, 2 ZPO bekannt, dass der Schuldner bereits vor Erteilung des Vollstreckungsauftrags unbekannt verzogen war.
Sind die definierten Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt, ist eine Zustellung überhaupt nicht möglich und demgemäß auch nicht erforderlich, um Drittauskünfte zu beantragen (vgl. ebenso IWW VE 2022, 15–19).
EMA-Auskunft macht die Zustellung der Ladung ersichtlich erfolglos
Vorliegend hat die Gläubigerin zusammen mit ihrem Vollstreckungsauftrag eine aktuelle Melderegisterauskunft beim GV eingereicht, wonach der Schuldner unbekannt verzogen sei. Damit sind die Voraussetzungen des Drittauskunftsanspruchs gemäß § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1c ZPO erfüllt (ebenso Anders/Gehle/Nober, ZPO, Kommentar, 81. Aufl. 2023, § 802l Rn 4, der nur für Buchstaben a und b einen Zustellversuch fordert; BeckOK-ZPO/Fleck, Stand: 1.12.2022, § 802l Rn 13, der den Zustellversuch im Rahmen von Buchstabe c für "evident sinnlos" hält).