Leitsatz
Ein erfolgloser Zustellversuch der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft ist keine Voraussetzung für einen Drittauskunftsanspruch nach § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1c) ZPO, wenn der Gläubiger eine aktuelle Auskunft der Meldebehörde über den unbekannt verzogenen Schuldner vorlegt.
LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 14.2.2023 – 15 T 799/23
1 Der Fall
GV lehnt Einholung von Drittauskünften ohne Auftrag auf Abnahme der VA ab
Die Gläubigerin vollstreckt gegen den Schuldner Zahlungsansprüche aus einem Vollstreckungsbescheid und beauftragte den zuständigen Gerichtsvollzieher (GV) mit einer Drittstellenauskunft gem. § 802l ZPO sowie Aufenthaltsermittlungen gem. § 755 ZPO. Neben dem Titel reichte sie eine aktuelle Melderegisterauskunft ein, wonach der Schuldner "unbekannt verzogen" sei.
Der GV forderte die Gläubigerin auf, die Voraussetzungen der Drittstellenauskunft nachzuweisen. Auf Nachfrage erläuterte der GV am 11.10.2022, dass die Gläubigerin die Abnahme der Vermögensauskunft nicht beauftragt und keine Nachweise darüber vorgelegt habe, dass eine Ladung zum Termin nicht zugestellt werden konnte.
Hiergegen wandte sich die Gläubigerin mit ihrer Erinnerung. Da der Schuldner unbekannten Aufenthalts sei, würde ein nochmaliger Zustellversuch nur unnötige Kosten verursachen. Der GV half der Erinnerung am 12.10.2022 nicht ab und legte die Akten dem Vollstreckungsgericht vor. Auf den Inhalt seiner Entscheidung wird verwiesen. Das Vollstreckungsgericht beschloss am 23.12.2022, der Erinnerung der Gläubigerin nicht abzuhelfen. Der bloße unbekannte Aufenthalt des Schuldners sei für die begehrten Drittauskünfte nicht ausreichend.
Gegen diesen förmlich zugestellten Beschluss legte die Gläubigerin sofortige Beschwerde ein. Ein nochmaliger Zustellversuch wäre bloße Förmelei.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
Wenn das AG durch den Rechtsmitteldschungel irrt …
Die sofortige Beschwerde ist der statthafte Rechtsbehelf, §§ 793, 567 Abs. 1 ZPO. Zwar lautet der Tenor der angegriffenen Entscheidung dahingehend, der Erinnerung nicht abzuhelfen (vgl. zum Tenor der Erinnerungsentscheidung Anders/Gehle/Vogt-Beheim, ZPO, Kommentar, 81. Aufl. 2023, § 766 Rn 38 – Zurückweisung). Indes zeigen die Gründe und die Rechtsbehelfsbelehrung unzweifelhaft, dass das AG über die Erinnerung in der Sache zu entscheiden beabsichtigte. Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hielt die Gläubigerin die zweiwöchige Beschwerdefrist ein, § 569 Abs. 1, 2 ZPO.
LG folgt der Argumentation des Gläubigers
Die begehrten Drittauskünfte dürfen gemäß § 802l Abs. 2 S. 2 Nr. 1c ZPO nicht verweigert werden. Auf die beiden weiteren alternativen Antragsrechte stützt die Gläubigerin ihren Vollstreckungsauftrag ersichtlich nicht, § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 3 ZPO.
Die Antragsvoraussetzungen
Zunächst müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erfüllt und die Datenerhebung zur Vollstreckung erforderlich sein, § 802l Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO. Daneben ist die Einholung von Drittauskünften nur zulässig, wenn die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht zustellbar ist und zusätzlich die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erteilung des Auftrags die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist.
Titel, Klausel, Zustellung und Erforderlichkeit gegeben
Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung sind erfüllt, insbesondere legte die Gläubigerin einen ordnungsgemäßen Titel vor. Da ihr weitere Informationen über den Verbleib des Schuldners unbekannt und Forderungsteile offen sind, stellen sich die Drittauskünfte auch als für die Zwangsvollstreckung erforderlich dar.
Zustellung der Ladung zur Abnahme der VA ist keine Voraussetzung
Auch die besonderen Voraussetzungen der Drittauskunft nach § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1c ZPO sind erfüllt. Zutreffend weist das AG noch darauf hin, dass der vollstreckende Gläubiger nicht – selbst – einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft, § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO, gestellt haben muss, um einen Drittauskunftsanspruch geltend zu machen (vgl. bereits zum alten Recht ausdrücklich BGH DGVZ 2021, 116 (117 ff.)).
Anders als das Ausgangsgericht meint, ist indes ein – erfolgloser – Zustellversuch der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft gerade keine Voraussetzung für einen Drittauskunftsanspruch nach § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1c ZPO. Dieses Erfordernis lässt sich weder dem Wortlaut der Norm noch dem systematischen Gesamtzusammenhang entnehmen.
Wortlaut der Norm
Einleitend stellt die Vorschrift in § 802l Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ZPO darauf ab, dass die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht zustellbar ist. Die Verwendung des Präsens zeigt, dass nicht zwingend ein Zustellversuch unternommen worden und erfolglos geblieben sein muss. Andernfalls hätte das Gesetz eine Vergangenheitsform genutzt.
Unterstützt durch systematische Überlegungen
Dieses Ergebnis bestätigen systematische Betrachtungen: § 802l Abs. 1 S. 2 Nr. 1a und b liegt die Erwägung zugrunde, dass sich erst anlässlich des Zustellversuchs – nicht notwendiger...