Leitsatz
1. Der Rückruf i.S.v. § 140a Abs. 3 S. 1 Alt. 1 PatG ist im Allgemeinen als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken.
2. In den Vertriebswegen ist der schutzrechtsverletzende Gegenstand, der sich bei keinem privaten Endverbraucher befindet, auch bei einem Gewerbetreibenden, der kein Händler ist, sondern den Gegenstand selbst als Endabnehmer nutzt.
3. Eine für den Rückrufanspruch hinreichende Möglichkeit weiteren Vertriebs kann sich daraus ergeben, dass es nach den Umständen denkbar ist, dass ein durch den gewerblichen Abnehmer mit dem schutzrechtsverletzenden Erzeugnis versehener Gegenstand durch diesen veräußert wird (wie hier eine Immobilie, in der verletzende Aluminiumdielen als Bodenbelag verbaut wurden).
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.7.2023 – 6 W 30/23
1 Der Fall
Verurteilung zum Rückruf
Das LG hat die Schuldnerinnen auf die – auf behauptete Patentverletzung beim Vertrieb des Produkts "A-Diele" als "Outdoor-Aluminiumboden" gestützte – Klage der Gläubigerin mit rechtskräftigem Teil-Urteil dazu verurteilt, bestimmte Aluminium-Dielen zur Herstellung einer Abdeckvorrichtung nach dort näher angegebenen Maßgaben "zurückzurufen oder endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen".
Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung
Auf Antrag der Gläubigerin hat das LG zur Erzwingung dieser den Schuldnerinnen auferlegten Handlungen Zwangsgelder jeweils in Höhe von 1.000 EUR, ersatzweise für je 500 EUR einen Tag – an dem gesetzlichen Vertreter hinsichtlich der Schuldnerin zu 1 und an dem gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin zu 2 zu vollziehende – Zwangshaft, auferlegt.
Beschwerde über die Berechtigung der Vollstreckung
Mit ihrer dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde, die eine Aufhebung dieses Beschlusses begehrt, teilen die Schuldnerinnen mit, ein Rückruf sei nicht möglich; in den Vertriebswegen befinde sich nichts mehr; die in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse seien allesamt beim Endverbraucher verbaut und damit Eigentum der Endverbraucher geworden. Das LG hat entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
Der Zwangsvollstreckungsantrag ist zulässig und begründet und rechtfertigt die ausgesprochenen Zwangsmittel. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, insbesondere ein zugunsten der (lediglich umfirmierten) Gläubigerin ergangener Titel, liegen vor.
Vollstreckung als unvertretbare Handlung
Das LG hat auch zutreffend erkannt, dass die vorliegende Verurteilung zu Rückruf "oder" Entfernen durch die beantragte Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Dies folgt daraus, dass zumindest eine dieser beiden Handlungen nicht vertretbar ist und das Urteil den Schuldnerinnen die Wahl überlässt, welche der beiden Maßnahmen sie hinsichtlich eines jeden Gegenstands vornehmen.
Das nach dem Titel gebotene Verhalten liegt darin, die dort näher bezeichneten Erzeugnisse "zurückzurufen oder endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen" (und zwar verbunden mit den im Titel weiter geforderten Erklärungen gegenüber den Adressaten). Während die materielle Anspruchsgrundlage in § 140a Abs. 3 S. 1 PatG, auf die das Urteil ausweislich seiner Gründe gestützt ist, mit der Konjunktion "oder" dem Gläubiger die Wahl einräumt, Rückruf oder Entfernen oder beides nebeneinander zu verlangen (vgl. BGHZ 215, 89 Rn 11 ff. – Abdichtsystem), überlässt die vorliegende Verurteilung mit derselben Konjunktion den Schuldnerinnen, an die sie gerichtet ist, die Wahl zwischen Rückruf oder Entfernen.
Schuldnerinnen haben Wahlrecht
Erweist sich wenigstens eine dieser zur Wahl gestellten Handlungen als nicht vertretbar, so kann das Wahlrecht der Schuldnerinnen nicht dadurch übergangen werden, dass die Gläubigerin sich hinsichtlich der Alternative, sollte diese eine vertretbare Handlung sein, zur Vornahme nach § 887 ZPO ermächtigen lasse, sondern bleibt nur, die Schuldnerinnen im Ergebnis zu der – ihrer Wahl überlassenen – Erfüllung nach § 888 ZPO anzuhalten.
Zumindest der den Schuldnerinnen zur Wahl gestellte Rückruf ist im Allgemeinen – und auch hier – keine nach § 887 ZPO zu vollstreckende vertretbare Handlung, sondern als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken.
Eine dem Rückruf gewidmete, aber durch Dritte (einschließlich des Gläubigers) ausgesprochene Aufforderung an die Besitzer der Verletzungsgegenstände ist nicht in demselben Maß wie eine vom Schuldner persönlich ausgesprochene Aufforderung dazu geeignet, die an den Vertriebswegen Beteiligten zu einer Rückgabe der patentverletzenden Gegenstände zu veranlassen. In der Erklärung gerade des Schuldners selbst gegenüber dem Rückrufadressaten, zur Rücknahme des Verletzungsgegenstands gegen Kostenerstattung bereit zu sein, liegt nämlich für die Abnehmer neben der Sensibilisierung hinsichtlich der Verletzung ein weiterer wesentlicher Anreiz zur Rückgabe. Im Übrigen scheidet eine Vornahme des Rückrufs durch Dritte insbesondere aus, wenn der Gläubiger – wie regelmäßig – keine oder zumindest weniger umfassende oder gesicherte Kenntnis von den Abnehmern des Schuldners hat.
Es genügt, wenn e...