Privatärztliche Honorarforderungen sind grundsätzlich pfändbar. Zugleich unterliegen sie damit dem Insolvenzbeschlag.
BGH, 5.2.2009– IX ZB 85/08
I. Der Fall
Regelinsolvenzverfahren: Schuldner = Arzt wirkt nicht mit
Auf Antrag des Schuldners wurde über sein Vermögen am 1.12.2002 das Regelinsolvenzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung begehrt. Der Schuldner ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse. Die von ihm unterhaltene Facharztpraxis wurde zunächst vom Insolvenzverwalter fortgeführt. Im März 2006 erfolgte die Freigabe des Praxisbetriebs. In seinem Schlussbericht teilte der Verwalter mit, der Schuldner sei während des gesamten Verfahrens nicht zur uneingeschränkten Mitwirkung bereit gewesen. Er habe sich geweigert, Auskünfte zu seinen Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten zu erteilen und ihm entsprechende Unterlagen zur Überprüfung zur Verfügung zu stellen. Außerdem habe er eine Krankentagegeldzahlung in Höhe von 4.908,48 EUR nicht angegeben. Vielmehr habe er diese Zahlung erst an die Masse abgeführt, nachdem der Verwalter von dritter Seite von ihr Kenntnis erlangt habe. Im Hinblick auf diesen Bericht hat die Gläubigerin im Schlusstermin die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt.
Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Auch der BGH hat ihr den Erfolg versagt.
II. Die Entscheidung
Arztforderungen sind pfändbar
Privatärztliche Honorarforderungen sind grundsätzlich pfändbar und unterliegen dem Insolvenzbeschlag (BGHZ 162, 187, 190; BGH WM 2003, 980, 983). Der Schuldner ist im Insolvenzverfahren verpflichtet, dem Insolvenzverwalter die für die Durchsetzung des Insolvenzbeschlags erforderlichen Daten über die Person des Drittschuldners und die Forderungshöhe mitzuteilen. Zwar unterliegen auch diese Daten dem Arztgeheimnis; aufgrund des Zurücktretens der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber vorrangigen Belangen Dritter – im Insolvenzverfahren der Insolvenzgläubiger – ist die eingeschränkte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Patienten aber hinnehmbar (BGHZ 162, 187, 194).
Information des Gläubigers hat Vorrang
Diese für die Mitwirkungspflichten eines Internisten im Insolvenzverfahren über sein Vermögen aufgestellten Grundsätze gelten auch für den Schuldner und dessen Mitwirkungspflichten im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Wird die Tatsache, dass ein Patient eine Facharztpraxis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse aufgesucht hat, den Gläubigern des betreffenden Arztes bekannt, belastet dies den Patienten nicht mehr, als wenn es sich um eine sonstige Facharztpraxis gehandelt hätte. Das Bedürfnis nach Offenlegung der Patientendaten gegenüber dem Insolvenzverwalter hat Vorrang vor dem Anspruch des Patienten auf Schutz seiner Daten. Dies folgt aus dem vorrangigen Interesse der Insolvenzgläubiger an der Transparenz der Einnahmen ihres Schuldners (BGHZ 162, 187, 194). Folgte man demgegenüber der Ansicht des Schuldners, könnte über das Vermögen eines Arztes, der ausschließlich Privatpatienten behandelt, überhaupt kein Insolvenzverfahren durchgeführt werden. Vorsätzliches Handeln im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO liegt vor. Es setzt das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit voraus. Der Schuldner hat dieses Bewusstsein gehabt, weil er auch noch in Kenntnis der Entscheidung des BGH zur Verpflichtung der Bekanntgabe der Daten seiner Privatpatienten – soweit dies für Zwecke des Insolvenzverfahrens erforderlich ist – entsprechende Auskünfte durchgängig verweigert habe. Im Übrigen wäre für § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch schon grobe Fahrlässigkeit ausreichend, von der hier zumindest auszugehen ist.
Das Gericht hat den Vortrag des Schuldners zum "Buchungsfehler" zur Kenntnis genommen, jedoch ersichtlich deshalb für unerheblich gehalten, weil der Schuldner den Insolvenzverwalter nicht von sich aus über den bestehenden Anspruch auf das Krankentagegeld informiert hatte.
III. Der Praxistipp
Schuldner im weißen Kittel
Die Entscheidung betrifft ein Insolvenzverfahren, ist aber auf die Forderungspfändung uneingeschränkt anwendbar, da die gleichen Grundsätze gelten. Hat man vor Jahren noch annehmen können, dass ein Schuldner unter den "weißen Kitteln" kaum zu finden sein wird, hat sich dies in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Insbesondere missglückte Finanzgeschäfte haben diese Berufsgruppe verstärkt auch zu Schuldnern gemacht.
Richtig agieren im Offenbarungsverfahren
Für den Gläubiger bedeutet die Entscheidung, dass er zunächst im Offenbarungsverfahren nach den Patienten fragen darf und der Schuldner hier wie andere Selbstständige auch solche Patienten nennen muss. So hat das LG Verden (v. 12.5.2009, 6 T 69/09) kürzlich entschieden, dass der selbstständige Schuldner für den Zeitraum mindestens der letzten 12 Monate sämtliche Auftraggeber angeben muss, weil zu erwarten ist, dass der Schuldner auch künftig Aufträge seiner bisherigen Kunden erhalten wird (vgl. OLG Köln JurBüro 1994, 408; LG ...