I. Das Problem
Ich habe eine Kontenpfändung beantragt, zugleich mit der Herausgabe der Kontoauszüge für die letzten drei Monate vor der Pfändung (gemäß dem Muster in dem Buch Goebel, Kontopfändung unter veränderten Rahmenbedingungen). Nunmehr schreibt mir das AG Sangerhausen, dass es eine Entscheidung vom LG Stendal vom 4.2.2009, Az 25 T 198/08 gibt, nachdem eine die Kontoauszüge betreffende Herausgabeanordnung erst mit Zustellung des Pfübs beim Drittschuldner wirksam werde. Sind Sie auch dieser Meinung?
II. Die Lösung
Schuldner hat Kontoauszüge herauszugeben
Nach der überwiegenden Meinung der Beschwerdegerichte und der Literatur (LG Verden FoVo 2010, 138; LG Stendal Rpfleger 2009, 397; LG Wuppertal FoVo 2008, 62; LG Landshut FoVo 2009, 20 und 106; AG Dresden FoVo 2009, 206; Goebel, FoVo 2009, 29; Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn 7; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 836 Rn 13; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., § 823b; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 836 Rn 14) hat der Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO nach der Kontopfändung die Kontoauszüge herauszugeben. Grundlage für diese Verpflichtung ist § 836 Abs. 3 ZPO. Dieser Auffassung folgt auch das LG Stendal in seiner Entscheidung vom 4.2.2009.
Soweit andere Gerichte (LG Stuttgart Rpfleger 2008, 211; AG Göppingen DGVZ 1989, 29; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 836 Nr. 8) den Gläubiger auf § 840 ZPO verweisen, wird übersehen, dass mit der Drittschuldnerauskunft keine Belege vorgelegt werden müssen und der Gläubiger allein aufgrund der Drittschuldnerauskunft nicht prüfen kann, ob pfändbare Guthaben zur Verfügung gestanden haben bzw. – beim Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO n.F. – Ausgaben und Einnahmen richtig bestimmt und die Pfändungsfreigrenzen ordnungsgemäß beachtet wurden. Diese Überprüfung ist nur anhand der Kontoauszüge möglich. Auch hat der Gesetzgeber § 840 ZPO und § 836 Abs. 3 ZPO nebeneinander gestellt, so dass sie auch unabhängig voneinander zu betrachten sind.
Argument der unzulässigen Ausforschung ist verfehlt
Soweit die Auffassung vertreten wird, dass die Herausgabe der Kontoauszüge dem Gläubiger auch weiter gehende Erkenntnisse vermittelt, rechtfertigt dies schon nicht eine gesetzlich nicht vorgesehene Einschränkung von § 836 Abs. 3 ZPO, solange eine gleichwertige Informationsalternative nicht vorliegt. Auch lässt diese Auffassung unberücksichtigt, dass bei einer erfolglosen Vollstreckung die Voraussetzungen des § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorliegen und der Schuldner damit ohnehin verpflichtet ist, Auskunft über sein gesamtes Vermögen zu geben.
Dass die Herausgabe der Kontoauszüge nach Auffassung des Gesetzgebers nicht generell die Rechte des Schuldners unzulässig beeinträchtigt, ergibt sich auch aus § 833a Abs. 2 ZPO n.F. Will der Schuldner die Aufhebung des Guthabens seines Kontos erreichen oder jedenfalls die zeitliche Beschränkung, so muss er nach § 833a Abs. 2 ZPO nachweisen, dass ihm die letzten sechs Monate vor der Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind. Einen solchen Nachweis wird er ganz praktisch aber nur durch die Vorlage der Kontoauszüge der letzten sechs Monate führen können.
Ab wann müssen die Kontoauszüge herausgegeben werden?
Das LG Stendal hat tatsächlich mit einem Satz ausgesprochen, dass sich der Umfang der Herausgabepflicht nach dem Zeitpunkt des Verlangens, nicht nach dem Wirksamwerden der Überweisung bestimmt. Dies kann aber nicht dahin verstanden werden, dass eine Herausgabe von Kontoauszügen für einen früheren Zeitpunkt ausgeschlossen ist. Der Sachverhalt in der Entscheidung gibt nämlich keinen Hinweis darauf, dass der Gläubiger überhaupt frühere Kontoauszüge verlangt hat. Dass die Aussage keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, hat der BGH bereits am 20.12.2006 entschieden (VII ZB 58/06 = FoVo 2008, 162 = NJW 2007, 606). Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners auf gegenwärtiges und künftiges Arbeitseinkommen pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, hat der Schuldner danach außer den laufenden Lohnabrechnungen regelmäßig auch die letzten drei Lohnabrechnungen aus der Zeit vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger herauszugeben. Dies hat der BGH mit der Aufdeckung von Manipulationen durch den Schuldner begründet. Bei der Kontopfändung verhält es sich aber nicht anders. Die Gefahr von Manipulationen ist vielmehr noch ungleich höher. Anders als beim Arbeitsverhältnis hat der Schuldner es beim Konto nämlich alleine in der Hand, Zahlungsströme, die zuvor auf das gepfändete Konto flossen, nun auf andere Konten, eigene oder solche von Dritten, umzuleiten und so die effektive Vollstreckung zu vereiteln.
Fazit
Aus der Entscheidung des LG Stendal geht nicht hervor, dass der Gläubiger überhaupt Kontoauszüge für einen Zeitpunkt vor der Pfändung verlangt hat. Keinesfalls hat sich das LG mit der Problematik der Herausgabe früherer Urkunden beschäftigt, so dass aus der Entsche...