I. Der Fall aus der FoVo-Sprechstunde

Titel gegen UG – Vermögen vorhanden

Der Gläubiger hat eine rechtskräftig titulierte Zahlungsforderung gegen eine Unternehmergesellschaft. Der einzige Gesellschafter und Geschäftsführer ist verstorben. Die UG wurde im Anschluss wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Tatsächlich verfügt sie noch über Geräte, die in den vom Gläubiger vermieteten Räumlichkeiten stehen. Der Mandant hat sein Vermieterpfandrecht ausgeübt.

Vollstreckung scheitert an deren Löschung

Eine Vollstreckung in die Geräte ist gescheitert, da die Schuldnerin nicht mehr existiert. Der Versuch, einen Nachtragsliquidator zu bestellen, um dem Gerichtsvollzieher die Vollstreckung zu ermöglichen, scheitert daran, dass sich niemand findet, der zur Übernahme des Amtes bereit ist.

Welche Möglichkeiten der Vollstreckung gibt es in einem solchen Fall, abgesehen von der öffentlichen Versteigerung aus dem Vermieterpfandrecht, die sich aber ebenfalls schwierig gestaltet, weil die erforderliche Mitteilung an den Schuldner nicht mehr möglich ist?

II. Die Lösung

Löschung hindert Parteifähigkeit nicht

Die Löschung einer vermögenslosen Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nach § 394 Abs. 1 FamFG hat zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Nur wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig (BGH NJW 2015, 2424; BGH WM 2012, 1482; BGH NJW-RR 2011, 115). Diese für die GmbH getroffene Entscheidung gilt gleichermaßen für die Unternehmergesellschaft, da diese nur eine Unterform der GmbH darstellt.

Vermögen indiziert die Parteifähigkeit

Der Gläubiger hat vorliegend stichhaltige Kenntnis von Vermögen der Gesellschaft, was in der Konsequenz der Entscheidung des BGH dazu führt, dass gegen die Gesellschaft i.L. auch vollstreckt werden kann. Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, so findet nach § 66 Abs. 5 S. 1 GmbHG eine Liquidation nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt.

(Nachtrags-)Liquidator

Wie der Gläubiger bzw. sein Bevollmächtigter richtig gesehen haben, bedarf es zur Durchsetzung des Vollstreckungsanspruchs im Wege der Sachpfändung nach § 808 ZPO allerdings der Bestellung eines Nachtragsliquidators. Die Liquidatoren sind nach § 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht im unternehmensrechtlichen Verfahren (§ 375 Nr. 6 FamFG) zu ernennen (MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 66 Rn 83).

Liegen die Voraussetzungen vor, so muss das Gericht die Bestellung vornehmen. Die Auswahl des Nachtragsliquidators liegt dagegen in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es kann die früheren Geschäftsleiter, aber auch andere Personen bestellen. Sie werden die Übernahme des Amtes allerdings oftmals von der Gewährung eines Vorschusses abhängig machen (MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 66 Rn 85). Diesen zu leisten ist Sache der Antragsteller (OLG Hamm, Beschl. v. 9.5.2001 – 15 W 43/01, BB 2001, 1701 (1703); OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.12.1994 – 8 W 311/93, GmbHR 1995, 595 = NJW-RR 1995, 805).

 

Hinweis

Das Gericht kann sich der Bestellung eines Liquidators nicht entziehen. Es ist also Aufgabe des Gerichtes, einen Liquidator zu finden. Selbstständige Organe der Rechtspflege, d.h. Rechtsanwälte, werden zur Übernahme verpflichtet sein. Eine Besonderheit besteht insofern, als auch juristische Personen Liquidatoren sein können (Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 66 Rn 12). Vor diesem Hintergrund können Kollegen des Bevollmächtigten gebeten werden, sich als Nachtragsliquidator zur Verfügung zu stellen. Das Haftungsrisiko ist gering, weil der Nachtragsliquidator nur die Vollstreckung des Gerichtsvollziehers nach § 808 ZPO hinnehmen muss.

Problem: Rechtsschutzbedürfnis

Wenn sich die Bestellung eines Nachtragsliquidators als außerordentlich schwierig herausstellt, ist zu fragen, ob vor dem Hintergrund des ausgeübten Vermieterpfandrechts nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Nachtragsliquidation fehlt. Jedenfalls dann, wenn die Verwertung aus dem Vermieterpfandrecht leichter zu bewerkstelligen ist, muss dieser Weg gewählt werden.

Nachtragsliquidation kann teuer werden

Der Gläubiger, der zugleich ein Vermieterpfandrecht besitzt, muss dabei auch die Kosten für die Wiedereintragung der UG (haftungsbeschränkt) im Handelsregister, die Tätigkeit des Nachtragsliquidators und die erneute Löschung sehen. All dies belastet den Verwertungserlös neben den eigentlichen Vollstreckungskosten. Insoweit kann die Verwertung aus dem Vermieterpfandrecht nicht nur kostengünstiger, sondern auch ertragreicher sein.

Die Verwertung aus dem Vermieterpfandrecht

Der Verkauf des Pfandes aus dem Vermieterpfandrecht ist im Wege öffentlicher Versteigerung zu bewirken, § 1235 BGB. Das Verfahren wird üblicherweise von einem Gerichtsvollzieher durchgeführt, der dem Meistbietenden den Zuschlag erteilt ...

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