Leitsatz
1. Der Gläubiger und sein Rechtsdienstleister können dem Gerichtsvollzieherauftrag eine eigene Forderungsaufstellung beifügen, wenn der Schuldner nach Titulierung bereits Teilleistungen erbracht hat.
2. Der GV ist an eine Belassenserklärung des Gläubigers im Rahmen der beantragten Pfändung eines Pkw gebunden und darf keinen Kostenvorschuss für die Verbringung und Lagerung des Pkw verlangen.
LG Ravensburg, Beschl. v. 16.10.2019 – 6 T 44/19
1 I. Der Fall
GV-Auftrag mit Besonderheiten
Die Gläubigerin betreibt aus einem Vollstreckungsbescheid wegen einer Gesamtforderung von 6.696,75 EUR die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner. Sie erteilte dem Gerichtsvollzieher (GV) unter Verwendung des amtlichen Formulars nach der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung (GVFV) einen Vollstreckungsauftrag. Mit einigen Besonderheiten:
Forderungsaufstellung
Für die Forderungsaufstellung verwendete sie nicht das Formular Anlage 1 gemäß § 1 Abs. 1 Ziffer 2 GVFV, sondern ein eigenes Formular einer Forderungsaufstellung.
Belassenserklärung zum Pkw
Im Modul K 5 unter "Aufträge und Hinweise zur Pfändung und Verwertung" bat sie den GV darum, die Pfändung so vorzunehmen, dass nur eine Siegelmarke am Fahrzeug angebracht und lediglich Schlüssel und Kfz-Brief abgenommen werden sollten. Von einem Abtransport des Fahrzeugs sollte aus Kostengründen abgesehen werden und das Auto sollte im Gewahrsam des Schuldners belassen werden.
GV moniert die Vorgehensweise der Gläubigerin
Der GV beanstandete, dass die Forderungsaufstellung nicht auf Anlage 1 GVFV eingereicht wurde. Auch lehnte er die von der Gläubigerin beschriebene Vorgehensweise einer Pfändung ab und forderte einen Kostenvorschuss von 500 EUR, da das Fahrzeug gesichert werden müsse. Hiergegen legte die Gläubigerin Erinnerung ein, die das AG zurückwies. Hierüber hatte nun das LG als Beschwerdegericht zu entscheiden.
2 II. Die Entscheidung
Das LG widerspricht dem GV in beiden Punkten
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Der GV kann die Durchführung des Vollstreckungsauftrags nicht deshalb verweigern, weil die Gläubigerin nicht das Formular Anlage 1 zu GVFV verwendet hat. Gemäß § 1 GVFV wird für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung von Geldforderungen das in der Anlage bestimmte Formular eingeführt. Das Formular besteht aus den folgenden Teilen:
1. Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung von Geldforderungen,
2. Forderungsaufstellung (Anlage 1).
Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 GVFV sind inhaltliche Abweichungen von dem Formular einschließlich der Anlagen 1 und 2 nicht zulässig. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 GVFV kann ein geeignetes Freitextfeld oder eine zusätzliche Anlage verwendet werden, soweit für den beabsichtigten Vollstreckungsauftrag in dem Formular keine zweckmäßige Möglichkeit zur Eintragung vorgesehen ist. Darüber hinaus ist ein Antragsteller nach der Rechtsprechung des BGH vom Formularzwang entbunden, soweit das Formular unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist (BGH, 26.9.2018 – VII ZB 56/16 m.w.N., FoVo 2019, 56).
Vorgegebene Forderungsaufstellung bildet den Fall nicht ab
Anders als in dem Fall, über den der BGH am 26.9.2018 zu entscheiden hatte, ist im vorliegenden Fall die Forderungsaufstellung gemäß Anlage 1 zur GVFV nicht geeignet, sie erfasst den Fall der Gläubigerin nicht vollständig. Der Schuldner hat auf die titulierte Forderung zwei Teilzahlungen geleistet. In der Forderungsaufstellung Anlage 1 zur GVFV kann diese Situation nicht nachvollziehbar abgebildet werden.
Problem Teilzahlungen
Eine Verrechnung von Teilleistungen auf Kosten, Zinsen und Hauptforderung kann in dem Formular nicht nachvollziehbar dargestellt werden. Eine Verwendung des Formulars würde deshalb dazu führen, dass die Forderungsaufstellung missverständlich im Sinne der Rechtsprechung des BGH wird.
Kein Anspruch auf Kostenvorschuss für Pkw-Pfändung
Der GV kann auch nicht erzwingen, dass der zu pfändende Pkw von ihm in Besitz genommen wird. Er kann deshalb die Durchführung des Auftrags nicht von einem Kostenvorschuss abhängig machen, der die Kosten einer Sicherstellung mit umfasst. Der GV ist grundsätzlich an Weisungen des Gläubigers gebunden, sofern diese nicht mit dem Gesetz oder der GVGA in Widerspruch stehen (Zöller/Seibel, ZPO, 32. Aufl., § 753 Rn 4).
Gemäß § 808 Abs. 2 S. 1 ZPO sind andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere im Gewahrsam des Schuldners zu belassen, sofern nicht hierdurch die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird. Gemäß § 107 Abs. 1 GVGA wird bei der Pfändung eines Kraftfahrzeugs in der Regel davon auszugehen sein, dass die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird, wenn das Fahrzeug in Gewahrsam des Schuldners verbleibt. Der Gerichtsvollzieher nimmt das gepfändete Fahrzeug daher in Besitz, sofern nicht der Gläubiger damit einverstanden ist, dass es im Gewahrsam des Schuldners bleibt oder eine Wegnahme aus sonstigen Gründen ausnahmsweise nicht erforderlich erscheint.
Weisungsrecht des Gläubigers muss beachtet werden
Die Regelungen in § 808 ZPO und ...