Leitsatz
Wird der Gerichtsvollzieher neben der Räumungsvollstreckung auch mit der Beitreibung der Vollstreckungskosten gemäß § 788 ZPO beauftragt, so unterliegt der Vollstreckungsauftrag insoweit dem Formularzwang nach der Gerichtsvollzieherformularverordnung, wie die Vollstreckung der Geldforderungen betroffen ist.
AG Dülmen, Beschl. v. 28.7.2020 – 7 M 340/20
1 I. Der Fall
Auftrag zur Räumungsvollstreckung
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil, das in der Hauptsache auf Räumung (einer Wohnung) gerichtet ist. Mit formlosem Schreiben vom 18.5.2020 erteilte die Klägerin Räumungsauftrag und erklärte zugleich:
"Falls sich bei Vornahme der Räumung pfändbares Vermögen feststellen lässt, wird hiermit Pfändungsauftrag gem. § 803 ZPO wegen der Räumungskosten für diesen Auftrag gem. § 788 ZPO erteilt. … § 788 ZPO gilt für alle Vollstreckungshandlungen. Die Kosten sind zugleich beizutreiben. Nach Auffassung der Gläubigerin ist dafür kein gesonderter Pfändungsauftrag erforderlich. Der vorstehende Auftrag wird lediglich vorsorglich gestellt, damit die Pfändung nicht unterbleibt, falls der zuständige Gerichtsvollzieher anderer Meinung ist. Der Formularzwang gilt nicht für Räumungsaufträge. Portokosten für diesen Auftrag 3,00 EUR (0,80 EUR Porto + 2,20 EUR Einschreiben)".
GV beanstandet fehlenden Auftrag nach der GVFV
Mit Schreiben vom 5.6.2020 teilte der befasste Obergerichtsvollzieher (OGV) der Gläubigerin mit, dass ihrem Antrag, soweit er sich auf die Pfändung beziehe, nicht entsprochen werden könne, da das insoweit gemäß GVFV verbindlich zu nutzende Formular zur Vollstreckung von Geldforderungen nicht verwendet worden sei; es wurde um Nachbesserung gebeten.
Mit ihrer Erinnerung wendet sich die Gläubigerin gegen die Weigerung des befassten OGV, die Kosten der Zwangsvollstreckung aufgrund der unterbliebenen Nutzung des amtlichen Gerichtsvollzieherformulars durchzuführen. Die Gläubigerin meint, aus § 788 ZPO ergebe sich, dass die Kosten einer Vollstreckungshandlung auch ohne gesonderten Auftrag "zugleich" mit der Durchführung der Vollstreckungshandlung beizutreiben seien und dass, sofern ein formfrei erteilbarer Räumungsauftrag durchgeführt werde, die entsprechenden Kosten gleichermaßen nicht dem Formularzwang der GVFV unterlägen.
2 II. Die Entscheidung
Das AG folgt dem Gerichtsvollzieher
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Vollstreckungserinnerung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung weigert sich der befasste OGV, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin zur Beitreibung der Kosten der Zwangsräumung auszuführen. Der Vollstreckungsauftrag entspricht insoweit nicht der nach § 753 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 5 GVFV vorgeschriebenen Form. Gemäß § 753 Abs. 3 S. 1 ZPO wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates verbindliche Formulare für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher einzuführen. Nach §§ 1 S. 1, 5 GVFV ist für Vollstreckungsaufträge zur Vollstreckung von Geldforderungen seit dem 1.4.2016 verbindlich das in der Anlage zur Gerichtsvollzieherformular-Verordnung vorgegebene Formular zu nutzen.
Formularzwang auch für die Vollstreckung der Kosten
Rechtsfehlerhaft ist die Gläubigerin der Auffassung, dass die Kosten einer Vollstreckungshandlung auch ohne gesonderten Auftrag "zugleich" mit der Durchführung der Vollstreckungshandlung beizutreiben seien und dass, sofern ein formfrei erteilbarer Räumungsauftrag durchgeführt werde, die entsprechenden Kosten gleichermaßen nicht dem Formularzwang der GVFV unterlägen.
Gesonderter Auftrag?
Zunächst handelt es sich bei der Beitreibung der Kosten um einen gesonderten Auftrag i.S.d. § 3 Abs. 1 GVKostG, von dessen Erteilung im Falle eines Antrages auf Vornahme der titulierten Vollstreckungshandlung (nur) auszugehen ist, wenn die Kosten in dem Antrag gesondert genannt sind (vgl. MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkman, 5. Aufl. 2016, § 788 Rn 34) und dessen Erteilung und inhaltliche Ausgestaltung der Dispositionsfreiheit des Gläubigers unterliegt.
Die Verwendung des Begriffes "zugleich" in § 788 ZPO ist nicht zeitlich, sondern verfahrenstechnisch gemeint: Gemeint ist einerseits, dass ein besonderer Titel entbehrlich ist, andererseits, dass der Hauptanspruch vollstreckbar sein muss, der Titel also nicht aufgehoben oder dem Schuldner ausgehändigt sein darf (vgl. Schmidt/Brinkmann a.a.O.; BeckOK-ZPO/Preuß, 36. Ed., Stand: 1.3.2020, § 788 Rn 35 f.; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 788 Rn 14).
§ 788 ZPO macht nur einen Vollstreckungstitel entbehrlich
§ 788 ZPO besagt demnach lediglich, dass hinsichtlich des "Ob" der Kostenvollstreckung ein gesonderter Titel nicht erforderlich ist (sog. "Mitvollstreckung"). Das "Wie" der Kostenvollstreckung richtet sich jedoch, da es sich bei den Kosten stets um Geldforderungen handelt, nach den insoweit bei der Vollstreckung zu beachtenden Vorschriften der §§ 802a–882h ZPO. Für solche Geldforderungen ist das amtliche Formular zu verwenden (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 33. ...