I. Die Frage aus der FoVo-Sprechstunde
Der vergessene qualifizierte Vollstreckungsantrag
Dem Gläubiger steht eine titulierte Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zu. Ich habe als Bevollmächtigte eine Lohnpfändung ausgebracht, ohne aber gleichzeitig den Antrag nach § 850f Abs. 2 ZPO zu stellen. Ich habe jetzt also einen PfÜB ohne den erweiterten Vollstreckungszugriff.
Muss ich einen neuen PfÜB-Antrag stellen und dabei im Formular auf Seite 1 den Hinweis auf § 850f Abs. 2 ZPO geben oder stelle ich einen formularfreien Antrag auf Erweiterung des bestehenden PfÜBs, den ich dann im Original als Anlage beifüge? Muss ich bei dem Antrag (neuer Antrag oder Ergänzungsantrag) angeben, wie viel dem Schuldner zu belassen ist oder berechnet dies das Gericht selbst? Wie formuliere ich ggf. den Ergänzungsantrag?
II. Die Lösung
Die Vorteile der qualifizierten Titulierung …
Zunächst hat die Feststellung, dass die Forderung (auch) aus vorsätzlich unerlaubter Handlung stammt, einen Vorteil in der Zwangsvollstreckung. Sie kann aber die Forderung auch insolvenzfest machen:
… in der Zwangsvollstreckung
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Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht nach § 850f Abs. 2 ZPO auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO geregelten Pfändungsfreigrenzen bestimmen. Dem Schuldner ist dann nur so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten benötigt. Das entspricht dem individuellen Sozialhilfeniveau und liegt deutlich unter den Pfändungsfreigrenzen. |
Hinweis
Ein besonderer Vorteil ergibt sich auch, wenn bei der Lohn- oder Kontopfändung festgestellt werden muss, dass andere Gläubiger vorrangig sind. Die qualifizierte Vollstreckung nach § 850f Abs. 2 ZPO gibt dann gleichwohl den Zugriff auf die Differenz zwischen dem individuellen Sozialhilfeniveau und der Pfändungsfreigrenze, denn der Beschluss gilt nur zugunsten des Gläubigers, auf dessen Antrag er ergeht (Riedel, in: BeckOK-ZPO, § 850f Rn 42).
… in der Insolvenz
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Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht berührt, wenn der Gläubiger die Forderung (auch) aus diesem Rechtsgrund anmeldet. Es hat also bei vertraglichen Ansprüchen, die auch eine vorsätzlich unerlaubte Handlung begründen, ggfs. eine "doppelte" Anmeldung zu erfolgen: einmal aus dem originären Grundgeschäft und einmal aus dem deliktischen Anspruch. Der Gläubiger profitiert dann doppelt. Während die Forderungen anderer Gläubiger ihre Durchsetzbarkeit verlieren und diese als Konkurrenten wegfallen, wird dann noch die nachfolgende Vollstreckung nach § 850f Abs. 2 ZPO konkretisiert. |
Hinweis
Dass die Forderung (auch) aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt, kann aber nicht erst in der Zwangsvollstreckung festgestellt werden, sondern ist dort allein nachzuweisen. Dies ist mit einem entsprechenden Feststellungsurteil möglich. Das Feststellungsbegehren kann mit einer Zahlungsklage verbunden werden oder isoliert beantragt werden, wenn schon ein Zahlungstitel vorliegt. Letztlich kann der Schuldner die Qualifizierung in einer Zahlungsvereinbarung anerkennen, wobei der Sachverhalt hinreichend klar beschrieben sein muss, also nicht formelhaft erfolgen kann (BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 160/11).
Die kombinierte Antragstellung
Die Antragstellung kann zunächst in Kombination mit dem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfolgen. Dies hat den Vorteil, dass der Schuldner nach § 834 ZPO zu dem Antrag nicht zu hören ist (Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 850f Rn 16), die Qualifizierung zunächst regelmäßig gewährt wird und der Schuldner mit einem Rechtsmittel reagieren muss, um die Privilegierung des Gläubigers zu beenden.
Die Begründung des pfändungsfreien Betrages
Der Antrag nach § 850f Abs. 2 ZPO und der verkürzte pfändungsfreie Betrag sollte kurz begründet werden. Die äußerste Belastungsgrenze besteht dabei in dem, was dem Schuldner als notwendiger Unterhalt nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO zu verbleiben hätte. Wird der Schuldner – wie beim kombinierten Antrag nach § 834 ZPO – nicht gehört, kann vorläufig der doppelte Eckregelsatz (§ 28 SGB XII) eingesetzt werden (Musielak/Voit/Flockenhaus, 18. Aufl. 2021, ZPO § 850f Rn 12; LG Zweibrücken InVo 2000, 24). Das kann auf S. 9 des formgebundenen Antrags ausgeführt werden.
Die isolierte Antragstellung
Nach § 2 Abs. 1 der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung unterliegt nur der Pfändungsbeschluss nach § 829 ZPO dem Formularzwang. Nur so weit reicht auch die Ermächtigungsgrundlage in § 829 Abs. 4 ZPO. Alle weiteren Anträge können mit dem formgerechten Pfändungsantrag verbunden werden, müssen es aber nicht.
Insoweit kann der Antrag nach § 850f Abs. 2 ZPO einerseits isoliert und andererseits dabei formfrei gestellt werden. Die isolierte Antragstellung kommt immer dann in Betracht, wen...