OLG: unzulässiger Antrag mangels Antragsbefugnis
Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO ist unzulässig. Dem Gläubiger fehlt die erforderliche Antragsbefugnis. Die Regelungen in § 8 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 UWG über die Befugnis von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen haben nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der auch der erkennende Senat folgt, eine "Doppelnatur": Sie regeln nicht nur die materiell-rechtliche Anspruchsberechtigung (Sachbefugnis oder Aktivlegitimation), sondern in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch die Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 8 Rn 3.9 m.w.N.).
Antragsbefugnis muss durchgängig gegeben sein
Diese Prozessführungsbefugnis muss, soweit es – wie im vorliegenden Falle – um einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG geht, nicht nur im Erkenntnisverfahren vorliegen, sondern auch noch bei der anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO gegeben sein (im Ergebnis ebenso: Büscher/Ahrens, UWG, 2. Aufl. 2021, § 15a Rn 11). Da § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO von einem "Antrag" spricht, erscheint es sinnvoll, im Ordnungsmittelverfahren nicht den Begriff "Prozessführungsbefugnis", sondern den Begriff "Antragsbefugnis" zu verwenden.
Gesetzliche Neuregelung hat Antragsbefugnis entfallen lassen
Die Antragsbefugnis für einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO fehlt dem Gläubiger hier spätestens seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG aufgrund des "Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020" am 1.12.2021, weil der Gläubiger bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen worden ist.
Gerade die Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs belegt die Richtigkeit der Auffassung, dass die Prozessführungsbefugnis (Antragsbefugnis) von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen auch noch im Ordnungsmittelverfahren fortbestehen muss: Die gegenteilige, im vorliegenden Verfahren vom Gläubiger vertretene Auffassung würde dazu führen, dass bei einer vom Gesetzgeber angeordneten Einschränkung der Prozessführungsbefugnis von Verbänden und Einrichtungen, wie sie das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vorgenommen hat, von dieser Gesetzesänderung betroffene, nicht mehr abmahn-, anspruchs- und klageberechtigte Verbände und Einrichtungen noch ein kaum sinnvolles "Rest- und Schattendasein" als "Verwalter" alter Vollstreckungstitel führen könnten. Dies entspricht fraglos nicht der Intention des Gesetzgebers und schon gar nicht dem Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020.
Auch der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 1996 in der Entscheidung "Altunterwerfung I" (BGH v. 26.9.1996 – I ZR 265/95, Rn 31 ff.) – im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Gehalt der Bestimmungen über die Befugnis von Verbänden zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen – ausgeführt, dass es der Gesetzeszweck eines vom Gesetzgeber angeordneten Wegfalls der Sachbefugnis von Verbänden erfordert, dass diese Änderung der materiellen Rechtslage vom Titelschuldner im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden kann. Da die Bestimmungen über die Befugnis von Verbänden zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen eine Doppelnatur als sowohl materiell-rechtliche als auch prozessrechtliche Vorschriften haben, ist der Titelschuldner nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer Klage nach § 767 ZPO beschränkt, sondern kann – wie hier die Schuldnerin – im konkreten Ordnungsmittelverfahren die fortgefallene Antragsbefugnis des Gläubigers geltend machen.
Übergangsrecht und Abschlusserklärung helfen nicht
Auf die Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG kann sich der Gläubiger im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg berufen, weil diese nur für das Erkenntnisverfahren gilt und der Antrag erst nach Ablauf des Stichtages gestellt wurde.
Die von der Schuldnerin abgegebene Abschlusserklärung steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Ihrem Wortlaut ist lediglich zu entnehmen, dass sie dazu führen sollte, die erlassene einstweilige Verfügung einem rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichzustellen. Dass die Schuldnerin darüber hinaus auch auf Einwendungen verzichten wollte, die sie auch einem rechtskräftigen Hauptsachetitel hätte entgegenhalten können, ist nicht ersichtlich.