Leitsatz
Der Gerichtsvollzieher kann bei der Vorschussanforderung die voraussichtlichen Kosten berechnen oder schätzen. In beiden Fällen muss er sich aber an den voraussichtlichen Kosten orientieren. Diese können dann gerundet werden.
AG Riedlingen, Beschl. v. 28.10.2022 – M 576/22
1 Der Fall
Vorschuss für GV-Antrag angefordert
Am 13.10.2022 stellte der Gläubiger Vollstreckungsauftrag an die Gerichtsvollzieherstelle des AG. Es wurde die Abnahme der Vermögensauskunft nach den §§ 802c, 802 f ZPO beantragt sowie die Durchführung einer EMA, sofern feststeht, dass der Schuldner an der angegebenen Adresse nicht mehr wohnt.
Mit Schreiben des zuständigen Gerichtsvollziehers (GV) vom 20.10.2022 forderte dieser nach § 4 Abs. 1 S. 1 GvKostG vorab einen Kostenvorschuss in Höhe von 90,00 EUR, da für die beantragte Zwangsvollstreckung Gerichtsvollziehergebühren nach dem GvKostG entstehen würden.
Dem Gläubiger ist der Vorschuss zu hoch
Mit Schreiben vom 21.10.2022 legte der Gläubiger Kostenerinnerung ein und begründete diese damit, dass der (pauschal) geforderte Kostenvorschuss nicht nachvollziehbar und überhöht sei. Für die beauftragte Abnahme der VA würden dem Gerichtsvollzieher voraussichtlich lediglich Kosten in Höhe von 3 EUR für die postalische Zustellung der Ladung (KV 101), 33 EUR für die Abnahme der VA (KV 260) und 6,60 EUR Auslagenpauschale (KV 716), insgesamt 42,60 EUR entstehen. Der Gerichtsvollzieher habe das ihm eingeräumte Maß, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, nämlich Kosten als Vorschuss zu erheben, die die voraussichtliche Höhe der Amtshandlung deckten, erheblich überschritten.
2 II. Die Entscheidung
Erinnerung hat teilweise Erfolg
Die Erinnerung ist zulässig und hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
Die Höhe des Vorschusses bemisst sich nach den voraussichtlich entstehenden Kosten, also Gebühren und Auslagen. Es kommt dabei auf die Einschätzung des GV an. Gerade bei Auslagen durch einen Schlüsseldienst oder eine Spedition ist eine genaue Vorhersage der Auslagenhöhe nicht möglich. Insoweit wird dem GV ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt. Die Vorschusserhebung kann entweder durch eine vorläufige Berechnung der Kosten erfolgen oder durch Anforderung eines pauschalen Schätzbetrages. Ersteres empfiehlt sich, wenn nur die Fälligkeit erst nach Ablauf einer Frist eintritt, die Höhe der Kosten jedoch schon feststeht (BeckOK KostR/Herrfurth, 39. Ed. Stand 1.10.2022, GvKostG § 4 Rn 6–8).
Berechnung oder Schätzung: Es muss Hand und Fuß haben
Demnach kann der GV zwar einen pauschalen Kostenvorschuss ohne eine genaue Berechnung fordern. Jedoch muss sich dieser an den voraussichtlich entstehenden Kosten orientieren. Beauftragt war vorliegend die Abnahme der Vermögensauskunft und die Einholung einer EMA für den Fall, dass der Schuldner an der bekannten Anschrift nicht mehr wohnhaft ist. Für die Zustellung zur Ladung nach KV-GvKostG können je nach Zustellart 11 EUR (Ziffer 100) oder 3,30 EUR (Ziffer 101) entstehen. Für die Abnahme der Vermögensauskunft entstehen 36,30 EUR (Ziffer 260). Für die Einholung einer EMA fallen die tatsächlich entstanden Kosten in voller Höhe an, sicherlich zumindest einmal 10 EUR. Die Auslagenpauschale sind 20 % der zu erhebenden Gebühren, mindestens 3 EUR, höchstens 10 EUR (Ziffer 716). Insgesamt dürften vorliegend voraussichtlich Kosten von 67,30 EUR entstehen, sodass aufgerundet ein Kostenvorschuss von 70 EUR angemessen und gerechtfertigt ist.
3 Der Praxistipp
Vorschuss zahlen oder auf die Anforderung warten?
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 GvKostG ist der Auftraggeber zur Zahlung eines Vorschusses verpflichtet, der die voraussichtlich entstehenden Kosten deckt. Der GV kann, muss aber keinen Kostenvorschuss anfordern (teilweise str., Uhl, in: Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 4 Rn 3).
Der Gläubiger oder sein Bevollmächtigter müssen aber sehen, dass die Anforderung des Kostenvorschusses den Beginn und die Durchführung der Zwangsvollstreckung verzögert. Das kann nicht nur Rangnachteile mit sich bringen (§ 804 Abs. 3 ZPO), sondern auch dazu führen, dass sich über diesen Zeitraum das zugriffsfähige Vermögen des Schuldners weiter reduziert. Es kann sich deshalb empfehlen, die voraussichtlichen Kosten des zu stellenden Antrags zu berechnen und mit der Antragstellung diesen Betrag bereits zu entrichten.
Hinweis
In der Praxis ist festzustellen, dass (auch) die GV-Rechnungen häufig fehlerhaft sind, insbesondere auch die gütliche Einigung berechnet wird, obwohl diese ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Insoweit führt diese Verfahrensweise auch frühzeitig zur Klärung der endgültigen Kosten des Auftrages und dessen Fokussierung.
Gericht hat falsch gerechnet
Die Entscheidung ist vorliegend aber auch ein klassisches Beispiel für unzureichende Kenntnisse im Kostenrecht.
Das Gericht hat für die Einholung der Auskunft zum Aufenthalt des Schuldners nach § 755 Abs. 1 ZPO nur einen pauschalen Betrag von 10 EUR berücksichtigt. Tatsächlich war aber die Gebühr nach Nr. 441 GvKostG von 5,50 EUR nebst den Auslagen nach Nr. 708 KV GvKostG zu sehen.
Richtig hat das AG gese...