Leitsatz
Bei vorangegangener erfolgloser Vollstreckung nur wegen eines Teilbetrages der titulierten Zahlungsforderung ist der Gläubiger nicht gehindert, das Offenbarungsverfahren wegen der gesamten titulierten Forderung zu betreiben.
LG Kleve, 22.4.2010 – 4 T 82/10
1 I. Der Fall
Offenbarungsverfahren nach fruchtloser Teilvollstreckung?
Die Gläubigerin verfügt über einen Titel gegen den Schuldner mit einer Hauptforderung von 468 EUR zuzüglich Kosten und Zinsen. Sie hat die Sachpfändung durch den Gerichtsvollzieher wegen eines Teilbetrages von 100 EUR betrieben und für den Fall der Fruchtlosigkeit die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung verlangt. Dies hat der Gerichtsvollzieher abgelehnt, weil sich das Offenbarungsverfahren auf die Gesamtforderung beziehe, während die Voraussetzungen des § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur in Höhe des Teilbetrages vorlägen. Hiergegen richten sich Erinnerung und sofortige Beschwerde des Gläubigers.
2 II. Die Entscheidung
Gläubiger ist im Recht]
Die Gläubigerin ist berechtigt, wegen der gesamten titulierten Forderung gegen die Schuldnerin das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO zu betreiben, auch wenn die vorherige Fahrnisvollstreckung nur wegen eines Teils der titulierten Forderung erfolgt ist.
Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor
Im Streitfall liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung – Vollstreckungstitel, Klausel und Zustellung (§§ 724 Abs. 1, 750 Abs. 1 ZPO) sowie die weiteren Voraussetzungen der Offenbarungspflicht gemäß § 807 ZPO (die von der Gläubigerin betriebene Zwangsvollstreckung hat nicht zu ihrer Befriedigung geführt, § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, und die Gläubigerin hat Antrag auf Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt, § 900 Abs. 1 ZPO) – unstreitig vor. Fraglich ist allein, ob das Offenbarungsverfahren (§ 900 Abs. 1 S. 1 ZPO) bei vorangegangener erfolgloser Vollstreckung nur wegen eines Teilbetrages der titulierten Forderung auf den Gesamtbetrag der titulierten Forderung erweitert werden kann. Das ist entgegen der Auffassung des Gerichtsvollziehers und des Vollstreckungsgerichts zu bejahen.
Allerdings ist besondere Voraussetzung der Offenbarungspflicht im Fall des § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, dass "die Pfändung zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat". Diese "vollständige Befriedigung" (§ 362 BGB) kann auch nur die Befriedigung der titulierten Forderung sein, wegen der der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, bei Vollstreckung wegen einer Teilforderung also nur diese Teilforderung und nicht die gesamte titulierte Forderung. Denn eine "Befriedigung des Gläubigers" (§ 362 BGB) setzt immer das Bestehen einer entsprechenden bestimmten Forderung voraus. An der Geltendmachung der Gesamtforderung trotz vorangegangener erfolgloser Vollstreckung nur wegen einer Teilforderung im Offenbarungsverfahren ist der Gläubiger gleichwohl nicht gehindert. Nach § 807 Abs. 1 Nr. 2 ZPO kann der Gläubiger das Offenbarungsverfahren nämlich auch dann betreiben, wenn er glaubhaft macht, "dass er durch die Pfändung seine Befriedigung nicht vollständig erlangen könne". Dieser Fall ist auch dann zu bejahen, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass in letzter Zeit beim Schuldner im Auftrag anderer Gläubiger durchgeführte Pfändungen erfolglos waren (sog. Unpfändbarkeitsbescheinigung, § 33 GVGA; vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 807 Rn 18). Dem Fall der Unpfändbarkeitsbescheinigung gleichzustellen ist aber der Fall, dass der Gläubiger – wie hier – durch das Pfändungsprotokoll nachweist, dass der Schuldner schon nicht zur Tilgung einer Teilforderung von 100,00 EUR in der Lage war. Denn wenn der Schuldner nachweislich schon zur Begleichung einer solchen Teilforderung außerstande ist, steht damit zugleich fest, dass er erst recht eine sehr viel höhere Forderung – hier die Gesamtforderung von knapp 500,00 EUR – nicht zu tilgen vermag.
Offenbarungsverfahren ist eigenständiges Verfahren
Dass der Gläubiger das Offenbarungsverfahren bei vorangegangener Vollstreckung nur wegen einer Teilforderung auf diese Teilforderung beschränken kann, bedeutet umgekehrt auch nicht, dass er an der Geltendmachung der titulierten Gesamtforderung im Offenbarungsverfahren gehindert ist. Das Offenbarungsverfahren ist nämlich nicht die bloße Fortsetzung der vorher von dem Gläubiger betriebenen einzelnen Vollstreckungsmaßnahme, sondern ein eigenständiges Verfahren (§§ 899 ff. ZPO), welches dem Gläubiger die Unterlagen verschaffen soll, auf deren Grundlage er weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen kann (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 807 Rn 1).
Nachteile sind dem Schuldner zumutbar
Zu keiner anderen Bewertung führt auch, dass die Geltendmachung der gesamten titulierten Forderung im Offenbarungsverfahren für den Schuldner mit Nachteilen verbunden ist, weil die vorzeitige Löschung seiner Eintragung im Schuldnerverzeichnis von der Tilgung der Gesamtforderung und nicht nur einer bloßen Teilford...