Leitsatz
Fügt eine Inkassodienstleisterin dem Vollstreckungsauftrag keine Originalvollmacht bei, ist zumindest rechtlich zweifelhaft, welche Auswirkungen dies auf den Vollstreckungsauftrag hat.
BGH, Beschl. v. 31.7.2018 – VII ZB 18/18
1 I. Der Fall
PfÜB unwirksam wegen fehlender Vollmacht?
Der Schuldner sah sich einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ausgesetzt. Er beanstandete, dass das vertretende Inkassounternehmen dem Antrag keine Originalvollmacht beigefügt habe. Der Antrag sei deshalb unwirksam. Das LG Memmingen (2.3.2018 – 44 T 1348/17) hat dem widersprochen. Der Schuldner geht im Wege der Rechtsbeschwerde gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vor und beantragt vor dem BGH, dessen weitere Vollziehung bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen.
2 II. Die Entscheidung
Einstellungsantrag verlangt eine Prognoseentscheidung
Gemäß § 575 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO ist über die vom Schuldner beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Rechtsbeschwerde zu berücksichtigen und die Nachteile, die dem Schuldner durch die Vollstreckung drohen, gegen diejenigen abzuwägen, die die Gläubigerin bei einer Aussetzung der Vollziehung der Vollstreckung zu befürchten hätte (BGH, Beschl. v. 28.10.2009 – VII ZB 82/09 Rn 1; Beschl. v. 11.5.2005 – XII ZB 63/05, FamRZ 2005, 1064, juris Rn 8; PG/Lohmann, ZPO, 10. Aufl., § 575 Rn 7).
BGH sieht den Streit um die Notwendigkeit einer Originalvollmacht offen
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gerechtfertigt, denn die vom Beschwerdegericht zugelassene und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht offenkundig unbegründet. Die Rechtslage erscheint zweifelhaft. Der Schuldner wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, es läge ein wirksamer Vollstreckungsauftrag vor, obwohl dem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei Antragstellung keine Originalvollmacht der für die Gläubigerin handelnden Inkassodienstleisterin beigefügt war.
Interessenabwägung zugunsten des Schuldners
Durch die Vollziehung des angefochtenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses könnte der Schuldner einen größeren Nachteil erleiden als die Gläubigerin im Falle der einstweiligen Aussetzung der Vollziehung, wenn sich der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts als fehlerhaft erweisen sollte. Die Gläubigerin ist durch den Pfändungsbeschluss hinreichend gesichert, denn durch die Aussetzung der Vollziehung wird der Rang ihrer Pfändung nicht berührt.
Gläubiger bleibt gesichert
Im Wege der einstweiligen Anordnung nach §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO können nur Regelungen getroffen werden, die sich auf die Rechtswirkungen der konkret angefochtenen Entscheidung beziehen, weshalb nur die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 30.1.2017 auszusetzen war. Die Aussetzung der Vollziehung erfolgt entsprechend § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO nur gegen Sicherheitsleistung. Gründe, die eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch glaubhaft gemacht.
3 Der Praxistipp
Die Praxis lässt Abschriften genügen
Es handelt sich um eine Nebenentscheidung des BGH mit erheblicher Sprengkraft für die Praxis. Die Frage, ob jedem Vollstreckungsantrag eine Originalvollmacht beizufügen ist, wird tatsächlich nur vereinzelt von den Vollstreckungsorganen aufgeworfen. Wie im Erkenntnisverfahren, wo sich das Gericht so lange mit Abschriften begnügt, bis deren Übereinstimmung mit dem Original bestritten wird, genügt auch den Vollstreckungsorganen grundsätzlich eine Kopie.
Nach § 88 Abs. 2 ZPO hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Es handelt sich um eine Vorschrift des Allgemeinen Teils der Zivilprozessordnung, so dass sie grundsätzlich auch in der Zwangsvollstreckung anzuwenden ist. An die Stelle des "Gerichts" tritt das Vollstreckungsorgan.
Wortlaut verlangt kein Original
§ 88 Abs. 2 ZPO sagt nichts darüber aus, wie die Prüfung zu erfolgen hat, insbesondere verlangt der Wortlaut der Norm nicht, dass das Original der Vollmacht vorgelegt wird. Gerade bei der Beauftragung in einer Vielzahl von Fällen wäre dies für den Gläubiger mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Auch bei einer Generalvollmacht, die in vielen Fällen eingesetzt wird, müssten dann immer eine Vielzahl von Originalen geschaffen werden.
Grundsätzlich kann deshalb auch eine zweistufige Prüfung erfolgen:
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Auf der ersten Stufe wird eine Abschrift der Vollmacht vorgelegt. Wird darauf die mangelnde Vollmacht nicht gerügt und/oder gibt die Kopie keinen Anlass für Zweifel, hat es damit sein Bewenden. |
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Auf der zweiten Stufe kann das Original angefordert werden, wenn es begründete Zweifel – von Amts wegen oder aufgrund einer Rüge – an der Bevollmächtigung gibt. |
Schutzzweck sehen
Vom Grundsatz her will § 88 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die Vertretung durch andere Personen als professionelle Rechtsdien...