Leitsatz

Ist der Schuldner lediglich als wirtschaftlich Berechtigter in einer Kontoauskunft ausgewiesen, so ist dem Gläubiger die vollständige Auskunft auch unter Angabe der Kontonummer und des Kontoinhabers zu übermitteln.

AG Wiesbaden, Beschl. v. 14.5.2018 – 65 M 2231/18

1 I. Der Fall

Drittauskunft beim Bundeszentralamt für Steuern

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher (GV), das Bundeszentralamt für Steuern zu ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 AO bezeichneten Daten abzurufen.

Folge: Mitteilung einer Verfügungsberechtigung

Auf das Kontenabrufersuchen vom 27.2.2018 erteilte das Bundeszentralamt für Steuern eine Drittstellenauskunft. Unter den Ergebnissen wurde u.a. ein Konto mitgeteilt, dessen Kontoinhaber nicht der Schuldner war. Der Schuldner wurde bei der Drittstellenauskunft allerdings als wirtschaftlich Berechtigter ausgewiesen.

GV erteilt nur geschwärzte Auskunft

Das Ergebnis des Auskunftsersuchens übersandte der GV unter Schwärzung der Angaben zur Kontonummer und des Kontoinhabers an die Gläubigerin. Die Gläubigerin forderte den GV unter Darlegung ihrer Rechtsauffassung und Übersendung von Rechtsprechungsnachweisen auf, die Daten des Bundeszentralamtes für Steuern ohne Schwärzungen zu übersenden. Dies lehnte der GV ab. Hiergegen legte die Gläubigerin Vollstreckungserinnerung ein.

2 II. Die Entscheidung

Es besteht Anspruch auf Übersendung ungeschwärzter Daten

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Das Gericht ist der Auffassung, dass Daten über Konten Dritter, deren wirtschaftlich Berechtigter der Schuldner ist, für Zwecke der Vollstreckung erforderlich und deshalb nicht gem. § 802l Abs. 2 ZPO zu löschen sind.

Keine Kontopfändung

Zwar kann der Gläubiger eines Vollstreckungsschuldners als Berechtigter von Leistungen, die ein Leistungsverpflichteter auf das Bankkonto eines Dritten überweist, dessen wirtschaftlich Berechtigter allerdings der Vollstreckungsschuldner ist, diese Forderungen des Dritten aus dem Guthaben seines Kontos nicht als Schuldnerforderung an das Kreditinstitut pfänden. Insoweit ist eine Zwangsvollstreckung in wirtschaftlich dem Schuldner gebührendes Geld, das einem anderen als Kontoinhaber zu vollem Recht übertragen worden ist, unzulässig (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., ZPO § 802l Rn 33 Stichwort Kontoguthaben).

Aber: Pfändung des Treuhandanspruchs

Pfändbar ist jedoch der schuldrechtliche Auszahlungsanspruch des leistungsberechtigten Vollstreckungsschuldners gegen den Kontoinhaber (vgl. LG Wiesbaden, 9.11.2006 – 4 T 578/06). Hieraus ergibt sich, dass das notwendige Informationsinteresse des Gläubigers gegeben und der Gerichtsvollzieher anzuweisen war, die ungeschwärzten Auskünfte zu erteilen.

3 Der Praxistipp

GV überblickt Reichweite der Forderungspfändung nicht

Wie berechtigt die Forderung des Deutschen Gerichtsvollzieherbundes nach einer qualifizierten Ausbildung der Gerichtsvollzieher ist, zeigt auch diese Entscheidung. Es konnte zu der Schwärzung nur kommen, weil eine hinreichende Ausbildung im materiellen Zivilrecht wie in der Forderungsvollstreckung fehlt.

Die Erhebung oder das Ersuchen des Gläubigers ist nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO nur zulässig, soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist. Daten, die für die Zwecke der Vollstreckung nicht erforderlich sind, hat der Gerichtsvollzieher nach § 802l Abs. 2 ZPO unverzüglich zu löschen oder zu sperren. Die Schwärzung stellt eine Form der Sperrung dar. Insoweit muss der Gläubiger prüfen, ob die Daten, die ihm vom Auskunftsträger übermittelt werden, vollstreckungsrechtliche Relevanz haben. Das kann nur beurteilen, wer die Breite der zivilrechtlichen Verhältnisse und daraus erwachsenden Ansprüche überblickt, die dann Grundlage der Pfändung nach §§ 829, 847, 857 ZPO sein können.

Ansprüche aus dem Auftragsverhältnis

Wer für einen anderen ein Konto führt, tut dies auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB) oder eines unentgeltlichen Auftrages (§ 662 BGB). In beiden Fällen findet § 667 BGB Anwendung. Der Beauftragte (Dritter) ist verpflichtet, dem Auftraggeber (Schuldner) alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Genau diesen Anspruch kann der Gläubiger nach den §§ 828 ff. ZPO pfänden. Drittschuldner ist der Dritte.

Notwendigkeit präziser Auskünfte

Um den Drittschuldner präzise und den gepfändeten Anspruch nach § 667 ZPO hinreichend bestimmt bezeichnen zu können, ist der Gläubiger aus Vollstreckungsgründen darauf angewiesen, den Namen des Dritten und die Kontonummer mitgeteilt zu erhalten. Das hat der Gesetzgeber sicher gesehen. Anderenfalls hätte er die Auskunft des Bundeszentralamtes für Steuern nicht auch auf die Mitteilung von Verfügungsberechtigten und wirtschaftlich Berechtigten erstreckt.

Eine datenschutzrechtliche Schutzbedürftigkeit des Schuldners ist nicht zu sehen. Auch im Rahmen der Vermögensauskunft müsste er seinen Anspruch aus § 667 BGB angeben.

FoVo 3/2019, S. 59 - 60

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