Leitsatz

Stellt der Gerichtsvollzieher (GV) fest, dass ein beantragtes Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht durchgeführt werden kann, so entsteht dennoch eine Gebühr für die versuchte Zustellung der Ladung zur Vermögensauskunft.

AG Bad Iburg, Beschl. v. 19.9.2019 – 3 M 457/19

1 I. Der Fall

Gebühren und Auslagen ohne Tätigkeit?

Die Gläubigerin erteilte unter dem 7.2.2019 den Auftrag auf Abnahme der Vermögensauskunft. Unter dem 18.2.2019 stellte der GV die Vollstreckung ein, da ihm bekannt war, dass das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Er hatte den Schuldner noch nicht zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen. Zugleich stellte er unter anderem eine Gebühr für eine versuchte Zustellung nach GvKostG KV (im Folgenden: KV) 100, 600 in Höhe von 3,00 EUR nebst anteiliger Auslagenpauschale nach KV 716 in Höhe von 3,60 EUR in Rechnung.

Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit der Begründung, dass es zu keinerlei Tätigkeit des Gerichtsvollziehers im Zusammenhang mit der Zustellung gekommen sei.

2 II. Die Entscheidung

AG sieht Nichterledigungsgebühr

Der GV hat zu Recht die Gebühr KV 600 nebst Auslagenpauschale angesetzt, da eine nicht erledigte Zustellung im Sinne von KV 600 vorliegt.

Der GV war zunächst mit der Zustellung im Sinne von KV 100 beauftragt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorbemerkung 1, Abs. 2 zu KV 100–102, in der die Ladung zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft ausdrücklich genannt ist.

Unerledigter Auftrag

Der Auftrag blieb auch "unerledigt". Dabei ist unerheblich, dass der GV hinsichtlich der Zustellung noch keine Tätigkeit entfaltet hatte. Nach Vorbemerkung 6 zu KV 600 wird die reduzierte Gebühr erhoben, wenn eine Amtshandlung, mit deren Erledigung der GV beauftragt worden ist, aus Rechtsgründen oder infolge von Umständen, die weder in der Person des GV liegen noch von seiner Entschließung abhängig sind, nicht erledigt wird. Der Kostentatbestand ist bereits mit Erteilung des Auftrages erfüllt. Für das Entstehen der Gebühr muss die Amtshandlung noch nicht begonnen haben (BeckOK-KostR/Herrfurth, 24. Ed. 1.12.2018, GvKostG KV Vorbemerkung 6, Rn 1; Schröder-Kay/Winter, Kostenwesen GV, KV 600 Rn 90).

Gem. § 5 Abs. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG war die Beschwerde nicht zuzulassen, da zu dieser Frage bereits eine Entscheidung auf Landgerichtsebene existiert (3 T 254/19). Dass sie durch den Einzelrichter getroffen wurde, ist unerheblich.

3 Der Praxistipp

Was der Gläubiger zu tragen hat

In der Sache dürfte die Entscheidung richtig sein, auch wenn der Tatbestand nicht erkennen lässt, wann das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Antragstellung und der Feststellung des GV dürfte dies aber vor der Antragstellung der Fall gewesen sein. Falsch ist die für Schröder/Kay angegebene Fundstelle. Die Problematik wird bei KV 600–604 Rn 9 und KV 100 Rn 46 abgehandelt.

Nicht überzeugend ist die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung ist nicht zu verneinen, weil diese Fälle angesichts von fast 3 Millionen Anträgen auf Abnahme der Vermögensauskunft immer wieder vorkommen. Der Zulassung einer Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass bereits eine landgerichtliche Entscheidung vorliegt. Zum einen hat in diesem Verfahren (3 T 254/19) der Einzelrichter offenbar die rechtsgrundsätzliche Bedeutung aus nicht mitgeteilten Gründen verneint. Anderenfalls hätte er schon nicht als Einzelrichter entscheiden dürfen. Zum anderen entscheidet nicht das LG, sondern das OLG nach § 5 Abs. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG auf die weitere Beschwerde letztinstanzlich. Eine obergerichtliche Entscheidung zur Problematik liegt aber – soweit ersichtlich – bisher weder im konkreten OLG-Bezirk noch überhaupt vor.

Was ist vom Gläubiger zu tun?

Der Gläubiger ist grundsätzlich gehalten, vor der Erteilung eines Vollstreckungsauftrages zu prüfen, ob ein Vollstreckungsverbot, insbesondere nach § 89 ZPO existiert. Da die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Anordnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens öffentlich bekanntgemacht wird (www.insolvenzbekanntmachungen.de), sollte der Gläubiger durch entsprechende Prüfungen der Bekanntmachungen das Risiko dieser unnötigen Kosten minimieren. Ein Restrisiko bleibt allerdings zwischen nicht bekanntgemachter InsO-Antragstellung und Eröffnung des Verfahrens. Hier verfügen verschiedene Dienstleister in Teilen über frühere Informationen aus anderen Forderungseinziehungsverfahren. Der Gläubiger oder der Rechtsdienstleister müsste dann aber schon einen erheblichen – kostenpflichtigen – Aufwand betreiben, der wahrscheinlich in keiner Relation zu den Kosten des GV steht.

Sollte es dagegen zu einer langen Verzögerung zwischen der Antragstellung und der versuchten Zustellung zur Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft kommen und in der Zwischenzeit die Insolvenz eintreten, dürften die Voraussetzungen des § 9 i.V.m. Nr. 600 KV GvKostG nicht vorliegen, weil die Nichterledigung auf die Entschließung des GV, nämli...

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