Das AG folgt dem Gläubiger

Die Erinnerung ist überwiegend zulässig und begründet. Die Erinnerung ist hinsichtlich des Antrags, den GV zur Zustellung anzuweisen, zulässig, im Übrigen unzulässig.

Erinnerung als statthaftes Rechtsmittel

Die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO ist statthaft. Die Ablehnung des Gerichtsvollziehers, im Zwangsvollstreckungsverfahren eine Zustellung im Parteibetrieb vorzunehmen, kann mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO angegriffen werden (OLG Koblenz DGVZ 2021, 66; LG Frankfurt (Oder) DGVZ 2019, 238; LG Saarbrücken DGVZ 2018, 253; Musielak/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl. 2020, ZPO § 845 Rn 11). Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass der GV in dieser Sache "nur" als Zustellungsorgan tätig wird. Dies ändert nichts daran, dass die Zustellung selbst Teil der Zwangsvollstreckung und daher ebenfalls Vollstreckungsmaßnahme i.S.v. § 766 ZPO ist (ebenso OLG Koblenz a.a.O.). So hängt die Wirksamkeit der Vorpfändung nach § 845 Abs. 2 ZPO von der Zustellung an den Drittschuldner ab (OLG Stuttgart DGVZ 2021, 119 f.).

Örtliche Zuständigkeit in der Diskussion

Das AG Hildesheim ist als Vollstreckungsgericht sachlich wie örtlich für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig.

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass sich der Gläubiger mit seiner Erinnerung gegen das Verhalten eines GV aus dem hiesigen AG-Bezirk wendet. Dabei sieht das Gericht sehr wohl die Regelung des § 828 Abs. 2 ZPO. Nach dieser Norm ist als Vollstreckungsgericht für die Zwangsvollstreckung in Forderungen jenes AG örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der allgemeine Gerichtsstand des Wohnortes des Schuldners liegt bei dem AG B, da sich … in dem dortigen Bezirk befindet. Gleichwohl ist jedenfalls auch das erkennende Gericht zu einer Entscheidung über die Erinnerung berufen, zumal die Vollstreckungshandlung bei einem hiesigen GV begehrt wird und dessen Ablehnung der Zustellung eines Schreibens bei Drittschuldnern keinerlei Bezug zu dem Wohnort des Schuldners hat (so im Ergebnis – jedoch ohne Begründung – auch AG Heidelberg DGVZ 2018, 216).

Auch beim Rechtsschutzinteresse gibt es Probleme

Der Gläubiger hat hinsichtlich des Antrages zu 1. ein Bedürfnis nach Rechtsschutz. Dieses fehlt betreffend den Antrag zu 2. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dort vor, wo der jeweilige Erinnerungsführer ein an objektiven Maßstäben gemessen nachvollziehbares Interesse an der gerichtlichen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Erinnerungsgegenstand hat.

Dies ist im Hinblick auf die begehrte Weisung an den Gerichtsvollzieher, die Zustellung vorzunehmen, der Fall, da der Gläubiger nach der Weigerung des Gerichtvollziehers nur auf dem Erinnerungswege die begehrte Zustellung erwirken kann.

Nach dem AG kein Feststellungsinteresse

Hinsichtlich des Antrags festzustellen, dass der GV bei der Ablehnung der Zustellung rechtswidrig gehandelt habe, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis demgegenüber nicht. Ein gesondertes rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist nicht ersichtlich. So ist – soweit im vorliegenden Erinnerungsverfahren relevant – die einzige Folge der Rechtswidrigkeit der Ablehnung des GV die Anweisung des Gerichts an ihn, eine Zustellung jedenfalls nicht mit der bisherigen Begründung zu verweigern. Die Erteilung dieser Weisung bestrebt der Erinnerungsführer mit seinem Antrag zu 1. Entsprechend kommt dem Antrag zu 2. keine selbstständige Bedeutung zu, da die Rechtswidrigkeit der Zustellungsablehnung des GV denknotwendige Voraussetzung einer Weisung des Gerichts zur Vornahme der Zustellung ist.

GV durfte das Benachrichtigungsschreiben nicht beanstanden

Die Erinnerung ist soweit begründet, als sie rügt, der GV hätte die Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots der Gläubigerin vom 1.6.2021 an die Drittschuldner nicht mit der Begründung verweigern dürfen, das Ersuchen der Gläubigerin zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung auf Seite 3 des Schreibens vom 1.6.2021 sei rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen ist sie unbegründet. Die Ablehnung der Zustellung des GV unter der von ihm angeführten Begründung hält einer Überprüfung im Rahmen der Erinnerung nicht stand.

Grundsätze für die Prüfung des GV

Nach § 29 Abs. 2 GVGA lehnt der Gerichtsvollzieher die Zustellung von Schriftstücken mit unsittlichem, offensichtlich rechtsmissbräuchlichem, beleidigendem oder sonst strafbarem Inhalt sowie die Zustellung von verschlossenen Sendungen im Parteiauftrag ab.

Diese liegen nicht vor

Diese Voraussetzungen erfüllt das vorläufige Zahlungsverbot vom 1.6.2021 nicht. Insbesondere hat es keinen offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Inhalt.

Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben (BGH NJW 2015, 548 Rn 11; NJW 1977, 1234). Hierbei ist die Beantwortung der Frage maßgeblich, ob das Verhalten des jeweils Handelnden darauf ausgerichtet war, sich einen...

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