Leitsatz
Kosten für die Offenlegung einer Lohnabtretung sind keine Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 Abs. 1 ZPO.
LG Bremen, Beschl. v. 24.11.2021 – 4 T 119/21
1 Der Fall
Gläubiger verlangt Kosten einer vorherigen Offenlegung der Abtretung
Die Gläubigerin betreibt im Wege der Forderungspfändung die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid. Unter dem 15.12.2020 beantragte die Gläubigerin den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Das AG wies den Antrag insoweit zurück, als dass die Gläubigerin die Kosten der Offenlegung der Abtretung als Kosten i.S.d. § 788 ZPO geltend gemacht hatte.
Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LG zur Entscheidung vorlegt. Sie meint, die Kosten seien jedenfalls bis zur Höhe der Kosten eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erstattungsfähig.
2 II. Die Entscheidung
Ersatzfähig sind Kosten der Zwangsvollstreckung
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des AG Bremerhaven vom 26.1.2021 ist zulässig (§§ 793, 567 ff. ZPO), insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 788 Abs. 1, 2 ZPO hat der Schuldner die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen. Kosten der Zwangsvollstreckung sind Aufwendungen, deren Zweck darin besteht, die Befriedigung der titulierten Forderung zu erreichen (BGH NJW 2005, 2460, 2461). Nach gebräuchlicher Definition handelt es sich dabei um die Kosten, die unmittelbar zur Vorbereitung oder bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung anfallen (BeckOK-ZPO/Preuß, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 788 Rn 9). Vollstreckungskosten müssen von Kosten unterschieden werden, die nicht mehr zur Durchsetzung des Titels gehören und deshalb nicht vom Schuldner veranlasst sind (BeckOK-ZPO/Preuß, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 788 Rn 10).
Streit um die Kosten der Abtretung
Ob Abtretungsanzeigen über Lohnabtretungen mittelbar der Vorbereitung bzw. Durchführung der Zwangsvollstreckung dienen, ist umstritten. Teilweise wird eine grundsätzliche Erstattungsfähigkeit angenommen (LG Fulda v. 22.6.1983 – 2 T 45/83). Teilweise wird eine Erstattungsfähigkeit bis zur Höhe der Kosten eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses angenommen (vgl. LG Köln Rpfleger 1983, 1038), teilweise auf den Zeitpunkt der Abtretungsanzeige abgestellt. Liegt diese vor der Titulierung, soll keine Erstattungsfähigkeit gegeben sein (LG Köln Rpfleger 1990, 183). Teilweise wird angenommen, dass Abtretungsanzeigen über Lohnabtretungen nicht unter § 788 Abs. 1 ZPO fallen (Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, ZPO § 788 Rn 35 m.w.N.). Die Kammer schließt sich mit der Argumentation des AG der letztgenannten Auffassung an. Die Kosten der Offenlegung einer Lohnabtretung stellen mit der sich anschließenden Vollstreckungshandlung eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG dar, so dass die Vergütung nur einmal verlangt werden kann.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
3 Der Praxistipp
Das LG verrät wenig zum Sachverhalt
Der Sachverhalt ist sehr knapp dargestellt, so dass sich nicht sagen lässt, ob die Offenlegung der Abtretung vorgerichtlich oder in der Zwangsvollstreckung erfolgte.
Sofern diese vorgerichtlich erfolgte, muss nicht näher begründet werden, dass es sich nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung handeln kann. Vorgerichtlich findet § 788 ZPO keine Anwendung. Allerdings ist zu sehen, dass die vorgerichtliche Offenlegung der Abtretung nicht von einer durchschnittlichen Inkassotätigkeit umfasst ist. Insoweit handelt es sich um eine umfangreiche Tätigkeit, die die Geschäftsgebühr erhöht und dann nach §§ 280, 286 BGB als Verzugsschaden erstattungsfähig ist. Hier in Anlehnung an Nr. 3309 VV RVG die Erhöhung einer 0,3-Gebühr anzunehmen, überzeugt, weil die Abtretung der Pfändung entspricht und sich nur durch die Freiwilligkeit, nicht aber im Hinblick auf den Aufwand mit dem Drittschuldner unterscheidet.
Lösungsvorschlag: vertragliche Kostenübernahme
Nachgerichtlich spricht vieles dafür, die Kosten der Offenlegung der Abtretung auch nur nach Nr. 2300 VV RVG zu beurteilen. Ob hierfür noch Raum ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Da die Offenlegung keiner Mitwirkung eines Vollstreckungsorgans bedarf und gerade der Abwendung und nicht der Durchführung der Vollstreckung dient, spricht vieles dafür, keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung anzunehmen. Es bestehen aber keine Bedenken, dass der Schuldner im Rahmen der Abtretung vertraglich die Kosten der Offenlegung übernimmt und diese – weil ungesichert – bei Teilzahlungen nach §§ 366, 367 BGB zunächst zu tilgen sind.
FoVo 3/2022, S. 59 - 60