Abgelehnte Zustellung ist Justizverwaltungsakt

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach §§ 23 ff. EGGVG statthaft. Lehnt der GV eine ihm angetragene Zustellung ab, so handelt er als Justizbehörde im Sinne des § 23 EGGVG. Der Antrag ist nicht nach § 23 Abs. 3 EGGVG ausgeschlossen, da der speziellere Rechtsbehelf des § 766 ZPO nicht einschlägig ist. Die Zustellung nach § 750 ZPO ist zwar Voraussetzung der Zwangsvollstreckung, gehört aber noch nicht zum Vollstreckungsverfahren selbst. Wird der GV – wie bei Zustellungen – außerhalb der Zwangsvollstreckung tätig, ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (MüKo/Rauscher/Pabst, ZPO, 3. Aufl., § 23 EGGVG Rn 45; Baumbach/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 23 EGGVG Rn 4; Wieczorek/Schütze/Schreiber, ZPO, 3. Aufl., § 23 EGGVG Rn 23; Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., § 766 Rn 8; a.A. Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 23 EGGVG Rn 127). Soweit vertreten wird, dass die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO gegeben sei, wenn der Gerichtsvollzieher die Zustellung verweigert und er zugleich mit Zustellung und Vollstreckung beauftragt war bzw. die Zustellung zum Zwecke eines Vollstreckungsauftrags beantragt war (so: MüKo/Heßler, ZPO, 3. Aufl., § 750 Rn 95; Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 766 ZPO Rn 32; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 766 Rn 2), vermag sich das OLG dieser Ansicht nicht anzuschließen, da sich hieraus weitere Abgrenzungsprobleme ergeben können bzw. der Gläubiger durch die Gestaltung des Auftrags den zulässigen Rechtsbehelf bestimmen könnte.

Trotz Streitfrage keine Vorlage an den BGH

In diesem Zusammenhang hält das OLG nach erneuter Prüfung eine Vorlage der Sache an den BGH nach § 29 Abs. 1 EGGVG in der bis zum 31.8.2009 gültigen Fassung, die gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG auf das vorliegende Verfahren noch Anwendung findet, im Hinblick auf die Entscheidung des KG vom 8.5.1984 (OLGZ 1985, 82 ff.) und die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 18.6.1976 (Rpfleger 1976, 367) für nicht veranlasst. Diese Entscheidungen betrafen nicht den hier gegebenen Fall, dass der GV die Zustellung im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung verweigert, so dass das OLG von diesen Entscheidungen nicht abweicht.

Keine formalen Hindernisse

Der Antrag ist auch nicht verspätet. Die in dem Erinnerungsverfahren an den Präsidenten des Amtsgerichts Essen gerichtete Stellungnahme des Beteiligten zu 2) vom 12.5.2009 beinhaltete zwar die Ablehnung der Zustellung und begründet damit das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, stellte aber keinen Bescheid im Sinne des § 26 Abs. 1 EGGVG dar, durch den die Anfechtungsfrist in Lauf gesetzt wurde.

Bedenken des GV sind unbegründet

Der Antrag ist auch sachlich begründet und führt gem. § 28 Abs. 2 S. 1 EGGVG zur Verpflichtung des GV, den Zustellungsauftrag der Gläubigerin vom 23.3.2009 auszuführen. Denn die Ablehnung dieses Ersuchens durch den GV ist rechtswidrig und verletzt die Gläubigerin in ihren Rechten.

Keine Prüfungskompetenz des GV

Die Zustellung nach § 750 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 191 ff. ZPO ist hier Grundlage für die Zwangsvollstreckung und damit Voraussetzung dafür, dass die Gläubigerin ihren titulierten Anspruch verwirklichen kann. Der GV, dem die Zustellung obliegt, ist an eine wirksam erteilte Vollstreckungsklausel gebunden (Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., § 750 Rn 22). Die inhaltliche Prüfung der Urkunden, die Grundlage der Titelumschreibung sind, ist daher in erster Linie Sache des Rechtspflegers, der die Rechtsnachfolgeklausel erteilt. Ein Recht des GV, die Zustellung dieser Urkunden wegen Bedenken gegen ihren Inhalt zu verweigern, sieht die ZPO nicht vor.

GVO und GVGA keine Grundlage für die Verweigerung

Ein solches Weigerungsrecht lässt sich für Zustellungen nach § 750 Abs. 2 ZPO auch nicht der Gerichtsvollzieherordnung (GVO) oder der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) entnehmen. Nach § 26 Abs. 2 GVO darf der GV nach den bestehenden Vorschriften zulässige Aufträge, für deren Erledigung er zuständig ist – dieses trifft auf Zustellungen nach § 750 Abs. 2 ZPO zu –, nur dann ablehnen, wenn er dies nach der GVGA oder sonstigen Verwaltungsbestimmungen muss oder kann. Für den hier gegebenen Fall einer Zustellung nach § 750 Abs. 2 ZPO sieht die GVGA ein Ablehnungsrecht des GV aber nicht vor (vgl. §§ 23a, 76 Ziffer 1, 77 Ziffer 2 GVGA). Lediglich für die Zustellung von Willenserklärungen nach § 132 Abs. 1 BGB bestimmt § 52 Ziffer 2 GVGA, dass der Gerichtsvollzieher die Zustellung von Schriftstücken mit unsittlichem, beleidigendem oder sonstigem strafbaren Inhalt abzulehnen hat, was auf den Inhalt der hier in Rede stehenden Abtretungsvereinbarung auch nicht zutrifft.

Datenschutzbedenken reichen für Ablehnung nicht aus

Inwieweit die Datenschutzgesetze auf Zustellungen nach der ZPO anzuwenden sind, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Auch wenn man die Anwendbarkeit bejaht, reichen jedenfalls bloße datenschutzrechtliche Bedenken des Gerichtsvollziehers für eine Amtsverweigerung n...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?