Leitsatz
Ein Gläubiger kann auch weit nach einem für ihn anberaumten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft, zu dem der Schuldner nicht erschienen ist, gesondert die Einholung von Drittauskünften beantragen.
LG Dresden, Beschl. v. 1.6.2018 – 501 M 5832/18
1 I. Der Fall
Antrag auf Drittauskünfte nach einem Jahr
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Die Gerichtsvollzieherin (GV) hatte die Schuldnerin zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 7.2.2017 geladen, dies, soweit das Gericht den spärlich vorgelegten Unterlagen entnehmen zu können glaubt, auf den Antrag eines anderen Gläubigers. Die Schuldnerin erschien zum anberaumten Termin nicht, woraufhin Eintragungsanordnung nach § 882c ZPO erging.
GV lehnt den Antrag ab
Unter dem 13.2.2018 beantragte die Gläubigerin die Einholung von Drittauskünften beim Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und beim Bundeszentralamt für Steuern zwecks Kontenabruf. Die GV lehnte den Auftrag unter Hinweis auf einen Beschluss des AG Leipzig vom 1.11.2017 (431 M 14896/17) ab. Die Gläubigerin habe keinen eigenen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft gestellt. Auch stehe der hier gegenständliche Antrag nicht in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang mit dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft.
2 II. Die Entscheidung
LG widerspricht der GV
Die nach § 766 Abs. 2 ZPO zulässige Erinnerung ist auch in der Sache begründet. Die GV weigert sich zu Unrecht, Drittauskünfte einzuholen.
Die Gläubigerin kann einen isolierten Antrag auf Einholung von Drittauskünften stellen, ohne zuvor selbst einen Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft gestellt zu haben. Die Notwendigkeit der Stellung eines Antrags auf Abnahme der Vermögensauskunft durch den "nachfolgenden" Gläubiger lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10069) entnehmen. Sie wäre auch sinnwidrig, da ein solcher Antrag nach § 802d ZPO in der Regel unbegründet wäre.
Zeitliche Abfolge ist (fast) unerheblich
Der Antrag auf Einholung von Drittauskünften durfte nicht deshalb abgelehnt werden, weil er erst etwa ein Jahr nach dem anberaumten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft und damit nicht mehr in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang gestellt wurde. Dem Gesetz und den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass ein solcher zeitlicher Zusammenhang vorliegen muss.
Obergrenze = Sperrfrist
Einigkeit besteht lediglich dahingehend, dass jedenfalls nach Ablauf der zweijährigen Schutzfrist des § 802d ZPO die Drittauskunft im Hinblick auf das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung zunächst nicht mehr eingeholt werden darf und der Selbstauskunft des Schuldners nach § 802c ZPO Vorrang gebührt (Seibel, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 802l Rn 4).
Allerdings hat der BGH entschieden (ZInsO 2015, 1570, zitiert nach juris), dass die Drittauskunft nach erteilter Vermögensauskunft dazu dient, die Angaben des Schuldners in seinem Vermögensverzeichnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Da es sich bei der Drittauskunft insoweit nicht um einen selbstständigen Auskunftsanspruch (BGH a.a.O.), sondern um einen Annex zur Abgabe der Vermögensauskunft handelt, wäre hier die Annahme, dass der Antrag auf Einholung der Drittauskunft wegen seiner Kontrollfunktion in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Abnahme der Vermögensauskunft stehen muss, zumindest vertretbar.
Besonderheit: Nichtabgabe der Vermögensauskunft
Darauf kommt es jedoch nicht an. Vorliegend hat die Schuldnerin die Vermögensauskunft gerade nicht abgegeben, vielmehr ist sie zum Termin unentschuldigt nicht erschienen, so dass eine Eintragungsanordnung ergangen ist. Daher dient die Drittauskunft in dieser Fallkonstellation gerade nicht der Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Schuldner in dem Vermögensverzeichnis gemachten Angaben, sondern der erstmaligen Gewinnung von Informationen, die der Schuldner pflichtwidrig nicht von sich aus erteilt hat. Dass diese Informationen nur noch innerhalb von drei Monaten nach dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft gewonnen werden dürfen (so AG Leipzig a.a.O.), erschließt sich nicht.
Daher war die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, die Ausführung des Zwangsvollstreckungsauftrags nicht aus den im Tenor genannten Gründen abzulehnen.
3 Der Praxistipp
Schuldnerverzeichnis als Informationsquelle …
Hat der Schuldner die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO abgegeben, gilt grundsätzlich eine Sperrfrist von zwei Jahren, wenn nicht eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse glaubhaft gemacht wird. Auch wenn im Schuldnerverzeichnis der Tag der Abgabe der Vermögensauskunft nach § 882b ZPO (leider) seit dem 1.1.2013 nicht mehr eingetragen wird, lässt sich aus den Eintragungen doch regelmäßig ein Hinweis darauf ableiten. Zugleich lässt sich aber dem Schuldnerverzeichnis entnehmen, ob die Eintragung nach § 882c Abs. 1 Nr. 1 oder 2 oder 3 ZPO erfolgt ist.
… mit Bezug zu den Drittauskünften
Die ersten beiden Eintragungsgründe entsprechen exakt den Voraussetzungen des § 802l ZPO und da...