Einführung
Wir haben berichtet
In FoVo 2020, 41 ff., haben wir berichtet, wie der Gesetzgeber wegen der Covid-19-Pandemie in die Forderungseinziehung eingreift. Nach der Beratung im Bundestag (BT-Drucks 19/18110) ist das Gesetz inzwischen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl I 2020, S. 569–574). In Art. 240 § 1 EGBGB regelt es ein Schuldenmoratorium bei Dauerschuldverhältnissen, in § 2 den Schutz von Mietern und in § 3 die Stundung bei Darlehensverhältnissen. Im Rahmen der FoVo-Webinare haben uns dazu viele Fragen erreicht, die wir hier gerne beantworten wollen:
Leistungsverweigerungsrecht
Verbraucher und Kleinstunternehmer erhalten in Art. 240 § 1 EGBGB ein Leistungsverweigerungsrecht bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen mit Ausnahme von Mietverhältnissen und Darlehensverträgen, die teilweise einer anderweitigen Regelung in § 2 und § 3 unterliegen, und unter der Voraussetzung, dass dies dem Gläubiger nicht unzumutbar ist. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind
erforderlich sind.
Kausalität und Beeinträchtigung
Weitere Voraussetzung ist, dass der Verbraucher oder der Kleinstunternehmer in seiner Zahlungsfähigkeit gerade durch die Covid-19-Pandemie beeinträchtigt ist. Es bedarf also eines Vergleiches der Einkommenslage vor und nach dem Beginn der Krise. Folge muss sein, dass der Verbraucher seinen Unterhalt und den seiner gesetzlich unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht decken kann, während beim Kleinstunternehmen durch die Leistung die wirtschaftlichen Grundlagen gefährdet sein müssen.
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bei einem Verbraucher solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge, |
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bei einem Kleinstunternehmer solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs |
1. Wie weit vor dem 8.3.2020 sind Verträge einbezogen, z.B. ein Vertrag, der am 1.12.2019 geschlossen wurde?
Die zeitliche Dimension
Das Gesetz enthält nur einen Stichtag, bis zu dem das Dauerschuldverhältnis spätestens abgeschlossen worden sein muss. Das ist "vor dem 8.3.2020", sodass der Vertrag also bis zum 7.3.2020 rechtsgültig abgeschlossen worden sein muss. Wie weit er zuvor in der Vergangenheit geschlossen worden ist, bleibt unerheblich. Ein im Dezember 2019 geschlossener Vertrag über ein wesentliches Dauerschuldverhältnis fällt also genauso darunter wie ein 2010, 1997 oder 1982 geschlossener Vertrag.
2. Wie ist es mit Kita-Verträgen? Gehört ein solcher Vertrag zu den relevanten Dauerschuldverhältnissen?
Kita-Vertrag
Die Frage betrifft das Leistungsverweigerungsrecht für den Verbraucher (§ 1 Abs. 1). Der Gesetzgeber nennt in der Gesetzesbegründung als wesentliche Dauerschuldverhältnisse Pflichtversicherungen, (Energie-)Versorgungsverträge und Telekommunikationsverträge. Der Kindergartenplatz dient aber der Versorgung der Kinder und geht über die reine Verwahrung für berufstätige Eltern hinaus. Er dient auch der sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft und der vorschulischen Entwicklung. Insoweit kann auch ein Kita-Vertrag als Dauerschuldverhältnis zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge angesehen werden. Es besteht insoweit ein Leistungsverweigerungsrecht.
Hinweis
Zu klären ist allerdings, ob angesichts der vertraglichen Vereinbarungen überhaupt ein Leistungsanspruch entsteht. Angesichts der staatlichen Schließung der Kitas wird ja auch die Gegenleistung nicht erbracht.
3. Was ist mit Leasingverträgen für Fahrzeuge? Handelt es sich hierbei um ein wesentliches Dauerschuldverhältnis?
Leasing-Vertrag
Der Leasingvertrag für Pkw wird in erster Linie den Kleinstunternehmer treffen, sehr viel seltener den Verbraucher. Zu fragen ist, inwieweit der Leasingvertrag zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge oder zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich ist. Das ist eine Frage des Einzelfalls.
Hinweis
Maßstab ist dabei die "normale Zeit". Für den Handelsvertreter ist das Leasingfahrzeug notwendig, um wieder seiner Tätigkeit nachgehen zu können, wenn Außenkontakte tunlich sind. Ziel der gesetzlichen Regelung ist es ja, die Kündigung solcher Verhältnisse zu vermeiden. Handelt es sich dagegen um den Zweit- oder Drittwagen, kann die Erforderlichkeit in Frage gestellt werden.
4. Was macht der Kleinstunternehmer bei Dauerbezug seiner Ware, darf er dafür auch die Zahlung verweigern?
Dauerbezug von Ware
Hier hilft die klassische juristische Antwort: Es kommt darauf an. Wenn es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, in dessen Rahmen der Kleinstunternehmer Waren regelmäßig bezieht und abnehmen muss, kann es sich um ein wesentliches Dauerschuldverhältnis handeln. Ist der Warenbezug zur Eindeckung mit Leistungen für die Fortführung des Erwerbsgeschäftes erforderlich, handelt es sich um ein potentiell von der Regelung erfasstes Vertragsverhältnis.
5. Handelt es sich bei einem Vertrag, mit dem bargeldloses Zahlen ermöglicht wird, um einen wesentlichen Vertrag?
Bargeldloses Zahlen
Auch dies wird eine Frage des Einzelfalles sein. Dort, wo es zum Standard gehört, dass bargeldlos gezahlt werden kann, wie etwa im Online-Handel oder in Restaurants, wird man von einem wesentlichen Dauerschuldverhältnis auszugehen haben. In anderen Bereichen, in denen das Bargeschäft die Regel darstellt, wird man es wohl verneinen müssen.
Hinweis
Im Zweifel wird aber ein beiderseitiges Interesse – beim Kleinstunternehmer wie beim Zahlungsdiensteleister – bestehen, den Vertrag über die Krise hinweg zu retten. Insoweit wird bei fehlenden Einnahmen jedenfalls ein vertragliches Moratorium anzusprechen und zu vereinbaren sein.
6. Wie konkret muss die Gefahr für den Unternehmer sein? Was ist die Wesentlichkeitsgrenze?
Wese...