Leitsatz
Kaufpreisrentenansprüche, die der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung als Abfindung für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen vor Insolvenzeröffnung erworben hat, werden von dem Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte erfasst.
BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 56/18
1 I. Der Fall
Kaufpreisrente zur Alterssicherung
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 25.1.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner war bis 1992 an verschiedenen Gesellschaften – unter anderem als Kommanditist der Beteiligten zu 2 – beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 15.10.1992 veräußerte er seine Gesellschaftsanteile gegen eine Abfindung von 155.850,40 DM und eine auf Lebenszeit zu zahlende, wertgesicherte Kaufpreisrente von monatlich 5.000,00 DM.
Schuldner begehrt erfolglos Pfändungsschutz
Hinsichtlich der hieraus erzielten monatlichen Einkünfte in Höhe von zuletzt 2.556,46 EUR hat er beantragt, ihm nach § 850i Abs. 1 ZPO einen Betrag von 2.164,87 EUR pfandfrei zu belassen. Das Insolvenzgericht hat als Vollstreckungsgericht den Antrag abgelehnt und auf Antrag des Insolvenzverwalters festgestellt, dass die Ansprüche aus der Kaufpreisrente dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Freistellungsantrag weiter.
2 II. Die Entscheidung
BGH hebt auf und verweist zurück
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO, § 36 Abs. 4 S. 1 InsO die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO) und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
LG verneint eigenständige Einkünfte
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Voraussetzungen des Pfändungsschutzes gemäß § 850i ZPO lägen für die Kaufpreisrentenansprüche nicht vor, weil diese keine eigenständig erwirtschafteten Einkünfte seien. Es handele sich nicht um Einkommen aus dem Kapital, sondern dessen Verwertung. Ein gezahlter Kaufpreis wäre in die Masse gefallen und nichts anderes könne gelten, wenn dem Käufer die ratierliche Zahlung gestattet sei.
Das sieht der BGH anders
Mit dieser Begründung kann die vom Schuldner beantragte Pfandfreistellung der Kaufpreisrentenansprüche nicht verweigert werden.
Wie der BGH bereits entschieden hat, erfasst der Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte (BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZB 88/13, WM 2014, 1485 Rn 9 ff.; v. 23.4.2015 – VII ZB 65/12, WM 2015, 1291 Rn 9; v. 27.9.2018 – IX ZB 19/18, WM 2018, 2098 Rn 10). Unter die Vorschrift fallen auch Einkünfte aus kapitalistischer Tätigkeit, etwa
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Einkünfte aus Kapitalvermögen, |
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Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, |
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Werklohnansprüche und |
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Einkünfte aus der Verwertung von Eigentum des Schuldners resultierenden Forderungen, |
unabhängig davon, ob das zur Entstehung der Forderung verwertete Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.2018, a.a.O. m.w.N.).
Kriterium: selbst erzielte Einkünfte
Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung und ihrer systematischen Auslegung in Verbindung mit dem Willen des Gesetzgebers. Im Insolvenzverfahren wie im Verfahren der Einzelzwangsvollstreckung soll gewährleistet werden, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln bestreiten kann und hierfür nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist (BT-Drucks 16/7615, S. 12, 18).
Auch der einmalige Kaufpreisanspruch wäre von § 850i ZPO erfasst
Nach diesen Grundsätzen unterfallen die verfahrensgegenständlichen Kaufpreisrentenansprüche, die der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung begründet und damit selbst erwirtschaftet hat, dem § 850i Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO. Soweit das LG anführt, die Kaufpreisrente nicht anders behandeln zu können als einen Kaufpreisanspruch, kann dies eine Versagung des Pfändungsschutzes nicht begründen, weil auch ein Kaufpreisanspruch in den Anwendungsbereich des § 850i Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO fällt. Dass hingegen dem Schuldner bei Zahlung des gesamten Kaufpreises für daraus bei Verfahrenseröffnung etwa noch vorhandene Geldmittel kein Pfändungsschutz nach § 850i ZPO zugestanden hätte, folgt aus dem Erlöschen der Forderung durch Erfüllung und besagt nichts darüber, ob der Anspruch vor seiner Erfüllung dem § 850i Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO unterfiel.
Jetzt muss das LG noch einmal rechnen
Die Entscheidung des LG ist aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen worden sind. Das Beschwerdegericht wird zu prüfen haben, in welcher Höhe dem Schuldner nach §§ 850i, 850c Abs. 1, 2a ZPO Pfändungsschutz für die Kaufpreisrentenansprüche zu gewähren ist.
Beschränkte Abwägung der Belange des Einze...