Leitsatz
1. Bei dem Kündigungserfordernis des § 1193 Abs. 1 S. 1 BGB handelt es sich grundsätzlich um eine Vollstreckungsbedingung im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO, wenn sich der Schuldner in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde in Ansehung der Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
2. Enthält die Urkunde außerdem die Erklärung, dass dem Gläubiger ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden kann, führt dies dazu, dass das Klauselerteilungsorgan auf Antrag eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO zu erteilen hat.
3. Ob dieser Nachweisverzicht aus materiell-rechtlichen Erwägungen unwirksam ist, ist im Klauselerteilungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen und kann deshalb vom Schuldner nicht mit Erfolg mit einer Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) geltend gemacht werden.
BGH, Beschl. v. 7.10.2020 – VII ZB 56/18
1 Der Fall kurz zusammengefasst
Zwangsvollstreckung aus notarieller Urkunde
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde in Form einer Sicherungsgrundschuld vom 9.11.2015 über 15.000 EUR. Gesichert wurde damit ein Darlehen vom 4.11.2015 in gleicher Höhe, welches bis zum 1.7.2016 zurückzuzahlen war. Die Schuldnerin unterwarf sich in Ansehung der Grundschuld nebst Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihren Grundbesitz. Die notarielle Urkunde enthält zudem in § 4 Nr. 2 folgende Regelung: "Dem Gläubiger kann ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden, jedoch nicht vor dem 2.7.2016."
Notar erteilt die Klausel
Am 4.7.2016 erteilte der Notar dem Gläubiger auf dessen Antrag eine mit einfacher Klausel gemäß § 724 ZPO versehene vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde vom 9.11.2015. Eine durch die Schuldnerin am 10.10.2017 erhobene Klauselerinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht diesen Beschluss aufgehoben und die Zwangsvollstreckung aus der dem Gläubiger am 4.7.2016 erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig erklärt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.
2 II. Aus der Entscheidung
Der BGH folgt dem Gläubiger
Die gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin, § 577 Abs. 5 S. 1 ZPO. Zu Recht habe der Notar dem Gläubiger eine mit einer einfachen Vollstreckungsklausel gemäß § 724 Abs. 1 ZPO versehene vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde vom 9.11.2015 erteilt, § 797 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Anwendungsbereich der Klauselerinnerung
Im Verfahren der Klauselerinnerung gemäß § 732 ZPO kann ein Schuldner in begründeter Weise grundsätzlich nur Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte Vollstreckungsklausel erheben, die Fehler formeller Art zum Gegenstand haben (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2009, 1887; BGH NJW-RR 2006, 567; BGH MDR 2005, 1432). In diesem Rahmen ist u.a. überprüfbar, ob ein Notar zu Recht eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO erteilt hat oder ob es der Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel, etwa gemäß § 726 ZPO, bedurft hätte (vgl. BGH NJW-RR 2012, 1146).
Bei notwendiger Kündigung: qualifizierte Vollstreckungsklausel erforderlich
Noch zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass es sich jedenfalls bei dem Kündigungserfordernis des § 1193 Abs. 1 S. 1 BGB um eine Vollstreckungsbedingung i.S.d. § 726 Abs. 1 ZPO handelt, wenn sich der Schuldner in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, so dass der Notar grundsätzlich gehalten ist, eine qualifizierte Vollstreckungsklausel frühestens nach entsprechendem Nachweis der Kündigung der Grundschuld zu erteilen.
Aber: War denn die Kündigung der Grundschuld hier nachzuweisen?
Das Klauselerteilungsorgan ist verpflichtet, durch Auslegung des Titels zu ermitteln, ob dessen Vollstreckbarkeit seinem Inhalt nach vom Eintritt einer vom Gläubiger zu beweisenden Tatsache abhängt. Der Auslegung sind allerdings durch die Formalisierung des Klauselerteilungsverfahrens Grenzen gesetzt. Da der Vollstreckungstitel Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung festlegt und der Schuldner staatlichen Zwang nur nach dieser Maßgabe zu dulden hat, muss eine im Klauselerteilungsverfahren zu berücksichtigende Abhängigkeit der Vollstreckbarkeit nach § 726 Abs. 1 ZPO durch den Titel selbst festgestellt sein und sich klar aus diesem ergeben. Bei der Auslegung kann nicht auf außerhalb des Titels liegende Umstände abgestellt werden. Im Grundsatz muss der Titel daher aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (vgl. BGHZ 190, 172). Dabei können auch gesetzliche Regelungen Berücksichtigung finden, sofern sich deren An...