Leitsatz
1. Inkassounternehmen sind, mit zeitlichen Einschränkungen, nicht berechtigt, interne Kontoführungskosten den Forderungsschuldnern ihrer Auftraggeber in Rechnung zu stellen. Dies gilt sowohl im Zusammenhang mit der Geltendmachung titulierter als auch nicht titulierter Forderungen.
2. Zivilgerichtliche Entscheidungen über Kontoführungsgebühren und die Ausübung der Rechtsaufsicht über Inkassounternehmen durch die zuständige Behörde stehen selbstständig nebeneinander.
VG Neustadt, Beschl. v. 10.3.2021 – 3 K 802-20.NW
1 Der Fall
Streit um die Berechtigung von Kontoführungsgebühren neben Geschäfts- und Verfahrensgebühr
Die Beteiligten streiten im Kern um die Frage, ob und für welchen Zeitraum die Klägerin, eine registrierte Inkassodienstleisterin nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG, befugt ist, im Rahmen ihrer Inkassotätigkeit gegenüber Forderungsschuldnern ihrer Auftraggeber Kosten für die Führung eines Schuldnerkontos von monatlich 2,50 EUR geltend zu machen und diese von den Schuldnern ihrer Auftraggeber, unabhängig von der Frage, ob Zahlungsvorgänge zu buchen waren, erstattet zu verlangen. Daneben hat die Inkassodienstleisterin eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für die vorgerichtliche Forderungseinziehung und eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nachgerichtlich jeweils zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG und ggfs. der Umsatzsteuer geltend gemacht.
Verzicht auf die Geltendmachung nur für die Zukunft
Der aufsichtsrechtlichen Beanstandung ist die Inkassodienstleisterin zunächst entgegengetreten, um dann ab dem 1.5.2019 keine Kontoführungsgebühren mehr geltend zu machen, die zuvor erhobenen Kontoführungsgebühren aber weiter zu verfolgen. Die Aufsichtsbehörde hat darauf am 21.2.2020 eine Auflage nach § 10 RDG erlassen, wonach die künftige Erhebung von Kontoführungsgebühren sowie die rückwirkende Geltendmachung nicht titulierter Kontoführungsgebühren untersagt wurde. Es handele sich insoweit um allgemeine Geschäftskosten. Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos. Gegen den bestätigenden Widerspruchsbescheid richtet sich nun die Klage.
2 II. Aus der Entscheidung
VG hält die zulässige Klage für unbegründet
Die Klage ist nach Ansicht des VG zulässig, aber unbegründet. Der Auflagenbescheid sei rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Zuständige Behörde kann Auflagen erteilen
Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid sind die §§ 13a Abs. 2 S. 2, 10 Abs. 3 S. 3 RDG. Danach kann der Beklagte Auflagen im Zusammenhang mit der Erbringung von Rechtsdienstleistungen – hier in Gestalt von Inkassodienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG – jederzeit anordnen. Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht, denn die Auflage in dem angefochtenen Bescheid ist zum Schutz der Rechtsuchenden und des Rechtsverkehrs erforderlich (§ 10 Abs. 3 S. 1 RDG).
Die Anordnung ist nach Ansicht des VG in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Kontoführungsgebühren sind vorgerichtlich kein erstattungsfähiger Schaden
Die streitbefangenen Kontoführungskosten dürfen nicht von der Klägerin gegenüber Forderungsschuldnern abgerechnet werden. Sie sind nicht Teil des Verzugsschadens des jeweiligen Forderungsgläubigers. Vielmehr handelt es sich um Eigenaufwendungen, die die Klägerin für die interne Registratur- oder Aktenführung erbringt, um die Inkassofälle zu erfassen und zuzuordnen. Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die hierfür berechneten Kosten i.H.v. 2,50 EUR pro Monat nicht auf die Forderungsschuldner abgewälzt werden dürfen.
Allgemeine Geschäftskosten und nicht erstattungsfähige Aufwendungen
Soweit die Kontoführungskosten nicht titulierter Forderungen betroffen sind, weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Inkassokosten nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG zustehenden Vergütung erstattungsfähig sind. Das RVG kennt neben Nr. 2300 VV RVG (1,3-Geschäftsgebühr) und Nr. 7002 VV RVG (Post- und Telekommunikationspauschale) – jeweils zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer – keinen Gebührentatbestand, der die separate Geltendmachung von Kontoführungskosten der hier streitbefangenen Art ermöglicht (i.E. ebenso: OLG Stuttgart, Urt. v. 8.12.2009 – 6 U 99/09; AG Brandenburg, Urt. v. 20.12.2019 – 31 C 193/18). Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht die Vorbemerkung 7 Abs. 1 S. 1 Teil 7 Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) VV RVG. Danach werden mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten abgegolten, zu denen die im vorliegenden Verfahren erwähnten Kosten der Klägerin für die Führung eines internen Schuldnerkontos als Bestandteil der internen Büroorganisation zählen. Selbst dann aber, wenn die Kontoführungskosten nicht als allgemeine Geschäftskosten i.S.d. Vorbemerkung zu qualifizieren wären, könnte eine Erstattung gemäß Vorbemerkung 7 Abs. 1 S. 2 Teil 7 Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) VV RVG nur auf Grundlage von § 675 BGB i.V.m. § 670 BGB erfolgen. § 670 BGB schließt aber die eigene Mühewaltung und Arbeitskraft ...