Die Entscheidung des AG ist im Ergebnis richtig. Nach § 803 Abs. 2 ZPO hat die Pfändung zu unterbleiben, wenn sich von der Verwertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten lässt. Hierbei ist es von zentraler Bedeutung, den richtigen Vergleich anzustellen.
Kosten prüfen
Es ist also erst einmal festzustellen, welche Kosten denn die Vollstreckung, d.h. die Pfändung und Verwertung, verursacht. Dabei sind neben den Gerichtsvollziehergebühren auch die Auslagen zu beachten. Vielfach werden dabei exorbitante Kosten für die Verbringung des gepfändeten Gegenstandes an einen Verwahrungsort und die eigentliche Verwahrung (Nr. 707 KV GvKostG) bis zur Verwertung angenommen. Diese sind nämlich in voller Höhe zu erstatten. Genau diese Kosten fallen aber nicht an, wenn der gepfändete Gegenstand beim Schuldner verbleibt.
Belassenserklärung: Die GVGA hilft!
Das AG hat übersehen, dass zu der Erklärung des Gläubigers, der gepfändete Pkw solle im Gewahrsam des Schuldners verbleiben, in § 107 der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung (GVGA) eine eigenständige Regelung getroffen wurde, die jedenfalls für den Gerichtsvollzieher bindend ist. Bei der Pfändung eines Kraftfahrzeugs wird danach zwar in der Regel davon auszugehen sein, dass die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird, wenn das Fahrzeug im Gewahrsam des Schuldners verbleibt (vergleiche § 808 ZPO). Der Gerichtsvollzieher nimmt das gepfändete Fahrzeug aber trotzdem nach § 107 Abs. 1 S. 2 GVGA nur in Besitz, sofern nicht der Gläubiger damit einverstanden ist, dass es im Gewahrsam des Schuldners bleibt, oder eine Wegnahme aus sonstigen Gründen ausnahmsweise nicht erforderlich erscheint. Hier lag also eine den Gerichtsvollzieher bindende Erklärung des Gläubigers vor.
Dazu das allgemeine Weisungsrecht
Neben diesem speziellen Weisungsrecht stehen dann auch noch die allgemeinen Weisungsvorschriften dem Gläubiger zur Seite. Wie das AG richtig benennt, findet das Weisungsrecht seine Grundlage in der allgemeinen Dispositionsbefugnis des Gläubigers. Die bindende Ausprägung dieses Grundprinzips findet sich für den Gerichtsvollzieher in § 31 Abs. 2 und § 58 Abs. 2 GVGA:
Weisungen des Gläubigers hat der Gerichtsvollzieher nach § 31 Abs. 2 GVGA insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den Gesetzen oder der Geschäftsanweisung nicht in Widerspruch stehen. Ein solcher Widerspruch ist hier nicht zu sehen.
Auf etwaige Wünsche des Gläubigers oder des Schuldners hinsichtlich der Ausführung der Zwangsvollstreckung nimmt der Gerichtsvollzieher nach § 58 Abs. 2 GVGA Rücksicht, soweit es ohne überflüssige Kosten und Schwierigkeiten und ohne Beeinträchtigung des Zwecks der Vollstreckung geschehen kann. Hier verursacht die Belassenserklärung nicht nur keine höheren Kosten, die der Schuldner nach § 788 ZPO zu tragen hätte, sondern es entstehen sogar weniger Kosten. Auch liegt der Zweck der Zwangsvollstreckung gerade in dem Zugriff auf Vermögensgegenstände des Schuldners, deren Verwertung und letztlich der Befriedigung des Gläubigers.
FoVo 4/2022, S. 75 - 77