Leitsatz
1. Der Gerichtsvollzieher hat eine Erklärung des Gläubigers, dass ein zu pfändender Pkw im Gewahrsam des Schuldners verbleiben soll, grundsätzlich als zulässige Weisung zu beachten.
2. Damit steht auch § 803 Abs. 2 ZPO regelmäßig der Pfändung eines Pkw nicht entgegen.
AG Aurich, Beschl. v. 10.12.2020 – 10 M 593/20
1 Der Fall
Sachpfändungsauftrag für Pkw
Mit Vollstreckungsauftrag vom 21.7.2020 beauftragte die Gläubigerin den GV u.a. damit, Fahrzeuge der Schuldnerin zu pfänden und die Pfändung so vorzunehmen, dass Kraftfahrzeuge im Gewahrsam der Schuldnerin belassen werden, eine Siegelmarke am Fahrzeug angebracht und lediglich Fahrzeugschlüssel und Fahrzeugbrief mitgenommen werden sollten.
Belassenserklärung wird abgegeben
Aus Kostengründen sollte ein Abtransport des Fahrzeugs nicht erfolgen. Es wurde im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Verwertung des Fahrzeuges unterbleiben könne, wenn die Schuldnerin monatlich eine Rate von 100,00 EUR zahle. Die Gläubigerin teilte weiterhin mit, dass, soweit der GV vor der Pfändung die Abgabe eines Gebotes durch die Gläubigerin wünschen sollte, man um entsprechenden Hinweis bitte.
GV lehnt Pfändung des Pkw ab
Der GV lehnte die Pfändung des Pkw Ford Focus gemäß § 803 Abs. 2 ZPO ab, da nicht zu erwarten sei, dass die Verwertung des Fahrzeuges zur Erzielung eines Überschusses führen werde. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit der Erinnerung, der der GV nicht abgeholfen hat.
2 II. Die Entscheidung
GV hat rechtmäßige Weisungen zu beachten
Grundsätzlich handelt der GV im Rahmen der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung selbstständig und in eigener Verantwortung. Dies ändert aber nichts daran, dass Weisungen des Gläubigers, die Beginn, Art und Ausmaß der Zwangsvollstreckung betreffen, für den GV bindend sind, wenn sie mit den Gesetzen nicht in Widerspruch stehen (AG Brake, 6M 6964/07 unter Hinweis auf Zöller/Stöber, Rn 4 zu § 753 ZPO).
Belassenserklärung entspricht der Rechtslage
Entsprechend liegt es hier. Bei dem betagten Fahrzeug handelt es sich nicht um eine Kostbarkeit i.S.d. § 808 Abs. 2 ZPO. Entsprechend § 808 Abs. 2 ZPO werden andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere im Gewahrsam des Schuldners belassen, sofern hierdurch die Befriedigung des Gläubigers nicht gefährdet ist. Die Gläubigerin hat sich hier ausdrücklich mit dem Belassen der Pfandsache im Gewahrsam der Schuldnerin einverstanden erklärt.
GV kann nicht mit Haftung argumentieren
Es scheidet in dieser Konstellation eine Haftung des GV aus, wenn während des Gewahrsams des Schuldners die Sache beschädigt wird, an Wert verliert oder vom Schuldner beiseite geschafft wird. Dieses Risiko trägt allein der Gläubiger. Der GV kann die Pfändung eines Kraftfahrzeuges nicht mit der Begründung ablehnen, ein die Kosten übersteigender Erlös sei nicht zu erwarten, wenn die Gläubigerin sich mit dem Belassen des Fahrzeugs im Gewahrsam des Schuldners einverstanden erklärt hat und ein Angebot i.S.d. § 825 ZPO abgegeben hat (AG Singen, 14335/09).
Pfändungsschutz nach § 803 Abs. 2 ZPO greift nicht
Die Gläubigerin teilte bereits im Vollstreckungsauftrag ausdrücklich mit, dass, sollte der Gerichtsvollzieher vor der Pfändung die Abgabe eines Gebotes durch die Gläubigerin wünschen, um einen entsprechenden Hinweis gebeten werde. Diesen Hinweis hätte der Gerichtsvollzieher, so er eine Zurückweisung des Antrags entsprechend § 803 Abs. 2 ZPO in Betracht zog, zunächst erteilen müssen.
3 Der Praxistipp
Die Entscheidung des AG ist im Ergebnis richtig. Nach § 803 Abs. 2 ZPO hat die Pfändung zu unterbleiben, wenn sich von der Verwertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten lässt. Hierbei ist es von zentraler Bedeutung, den richtigen Vergleich anzustellen.
Kosten prüfen
Es ist also erst einmal festzustellen, welche Kosten denn die Vollstreckung, d.h. die Pfändung und Verwertung, verursacht. Dabei sind neben den Gerichtsvollziehergebühren auch die Auslagen zu beachten. Vielfach werden dabei exorbitante Kosten für die Verbringung des gepfändeten Gegenstandes an einen Verwahrungsort und die eigentliche Verwahrung (Nr. 707 KV GvKostG) bis zur Verwertung angenommen. Diese sind nämlich in voller Höhe zu erstatten. Genau diese Kosten fallen aber nicht an, wenn der gepfändete Gegenstand beim Schuldner verbleibt.
Belassenserklärung: Die GVGA hilft!
Das AG hat übersehen, dass zu der Erklärung des Gläubigers, der gepfändete Pkw solle im Gewahrsam des Schuldners verbleiben, in § 107 der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung (GVGA) eine eigenständige Regelung getroffen wurde, die jedenfalls für den Gerichtsvollzieher bindend ist. Bei der Pfändung eines Kraftfahrzeugs wird danach zwar in der Regel davon auszugehen sein, dass die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird, wenn das Fahrzeug im Gewahrsam des Schuldners verbleibt (vergleiche § 808 ZPO). Der Gerichtsvollzieher nimmt das gepfändete Fahrzeug aber trotzdem nach § 107 Abs. 1 S. 2 GVGA nur in Besitz, sofern nicht der Gläubiger damit einverstanden ist, dass es im...