§ 719 Abs. 2 ZPO regelt die gegenüber dem Berufungsverfahren (§ 719 Abs. 1 ZPO) strengeren Voraussetzungen für eine Einstellung im Revisionsverfahren, nicht dagegen die Frage, ob die Einstellung, wenn die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO erfüllt sind, gegen oder ohne Sicherheitsleistung anzuordnen ist. Insoweit gilt für das Revisionsverfahren ebenso wie für das Berufungsverfahren die in § 719 Abs. 1 S. 1 ZPO ausgesprochene Verweisung auf die einschränkenden Voraussetzungen des § 707 ZPO, nach denen eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung nur zulässig ist, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist (§ 707 Abs. 1 S. 2 ZPO).
BGH, 8.12.2009 – VIII ZR 305/09
Der Praxistipp
Vollstreckung trotz Rechtsmittelverfahren
Nimmt der Rechtsstreit mehrere Instanzen in Anspruch, erhöht dies für den Anspruchssteller und Gläubiger den Druck, aus dem im erstinstanzlichen Verfahren bereits die Vollstreckung zu betreiben, um den weiteren Schaden gering zu halten und ggf. – bei Zahlungsansprüchen – auch notwendige Liquidität herzustellen. Der Schuldner möchte die Vollstreckung dagegen vermeiden und sieht sich dadurch gestärkt, dass seine Berufung nicht unmittelbar nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen oder die Revision unmittelbar oder auf die Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen wurde. Mit dieser Begründung wird er einer Vollstreckungsankündigung mit einem Antrag auf einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung entgegentreten.
Schuldner reagiert mit Einstellungsantrag
Es stellt sich dann für das Rechtsmittelgericht die Frage, ob die einstweilige Einstellung mit oder ohne Sicherheitsleistung zu gewähren ist. Den ersten Fall kann der Gläubiger entspannt sehen und muss lediglich darauf achten, dass die Sicherheitsleistung nicht nur die Hauptforderung, sondern auch die bisherigen Kosten und den gesamten vergangenen und einen angemessenen künftigen Zinsschaden umfasst. Im zweiten Fall trägt der Gläubiger dagegen das volle Liquiditätsrisiko des Schuldners. Dies gilt vor allen Dingen auch in den Räumungsfällen, wie im Fall des BGH, in denen der Gläubiger dann nicht nur den Schaden aus bereits bestehenden Forderungen hat, sondern zusätzlich auch noch seine Sache nicht gewinnbringend weiter verwerten kann, sondern sich sein Schaden weiter vergrößert.
Einstellung nur gegen Sicherheitsleistung
Der BGH stellt nun klar, dass die maßgeblichen Normen (§§ 707, 719 ZPO) nur regeln, wann die Zwangsvollstreckung einzustellen ist. Die Frage, ob die Einstellung ohne oder gegen Sicherheitsleistung zu erfolgen hat, beantwortet sich dagegen immer aus § 707 ZPO. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung ist danach nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird (§ 294 ZPO!), dass der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
Hier liegen Ihre taktischen Möglichkeiten
Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Sie macht in der Praxis Rechtsmittelverfahren allein zur Verzögerung der Zwangsvollstreckung unattraktiver. Voraussetzung ist allerdings, dass der Gläubiger den vorläufig vollstreckbaren Titel auch seinerseits nutzt, um die Vollstreckung unmittelbar zu beginnen, und den Schuldner so zu einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bringt. Dies gibt einen Blick auf seine Vermögenslage frei, weil schnell erkennbar wird, ob der Schuldner in der Lage ist, die Sicherheitsleistung zu erbringen. Hat er hier Schwierigkeiten, wird er sich um Kontaktaufnahme und eine Einigung bemühen. Dies gibt außerhalb des Rechtsstreites Möglichkeiten für eine auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten genügende Vereinbarung.