Ist ein Versäumnisurteil, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben worden ist, durch einen Prozessvergleich ersetzt worden, kann der Gläubiger grundsätzlich die Erstattung der Vollstreckungskosten in der Höhe verlangen, in der sie angefallen wären, wenn er von vornherein die Vollstreckung auf den Vergleichsbetrag beschränkt hätte. Werden in dem Vergleich weitere nicht streitgegenständliche Ansprüche geregelt, setzt die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung allerdings voraus, dass sich feststellen lässt, in welchem Umfang das Versäumnisurteil in der Sache Bestand hat.
BGH, 24.2.2010 – XII ZB 147/05
I. Der Fall
Forderung wird in VU tituliert
Der Gläubiger hatte die Schuldnerin auf Gesamtschuldausgleich sowie auf Erstattung wegen weiterer von ihm geleisteter Zahlungen in Anspruch genommen. Gegen die Schuldnerin erging ein dem Klageantrag entsprechendes Versäumnisurteil, aus dem der Gläubiger in der Folgezeit vollstreckte. Nachdem die Schuldnerin Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt hatte, erweiterte der Gläubiger die Klage wegen der zwischenzeitlich erbrachten Leistungen nebst Zinsen. Die Schuldnerin wandte einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung ein und rechnete mit angeblichen Ausgleichsansprüchen aus ihrerseits erfolgter Schuldentilgung auf.
Einspruch – weitere Forderungen – Gegenforderungen – Vergleich
Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, in dem sie vereinbarten, dass der Gläubiger das gemeinsame Anwesen gegen eine Ausgleichszahlung von 25.000,00 EUR übernehmen sollte. Ziff. 3 bis 5 des Vergleichs enthielten u. a. folgende Regelungen:
„3. Der Kläger verzichtet auf die Rechte aus dem Versäumnisurteil …
4. Die Parteien sind sich einig, dass mit dieser Regelung sämtliche wechselseitig in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführten Ansprüche mit Ausnahme von Herausgabeansprüchen der Beklagten bezüglich Hausratsgegenständen und sonstiger persönlicher Gegenstände erledigt sind. …
5. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.“
Der Streit: Festsetzung der Kosten der Vollstreckung
Der Gläubiger begehrt die Festsetzung der Kosten seiner vor Vergleichsabschluss durchgeführten erfolglosen Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil. Die Schuldnerin ist dem Begehren entgegengetreten. Der Rechtspfleger hat dem Kostenfestsetzungsantrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das LG den angefochtenen Beschluss aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.
II. Die Entscheidung
BGH: Kontinuität der Forderung ist entscheidend
Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass ein Gläubiger auch nach Ersetzung eines vollstreckbaren Titels durch einen Prozessvergleich grundsätzlich die Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung aus dem ursprünglichen Titel in der Höhe verlangen kann, in der diese angefallen wären, wenn er von vornherein die Vollstreckung auf den Vergleichsbetrag beschränkt hätte. Die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung ist in § 788 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO geregelt. Diese Vorschrift stellt nicht auf die Kontinuität des Vollstreckungstitels, sondern die Vollstreckbarkeit des zugrunde liegenden Anspruchs ab. Entscheidend ist daher, ob und inwieweit der dem ursprünglichen Titel zugrunde liegende Anspruch in dem Prozessvergleich zwar nicht formal, aber der Sache nach bestätigt worden ist, der Gläubiger die Zwangsvollstreckung also im Ergebnis zu Recht betrieben hat (BGH NJW-RR 2004, 503, 504; OLG Stuttgart Rpfleger 1994, 118; OLG Hamburg JurBüro 1991, 1132; OLG Zweibrücken MDR 1989, 362).
Aber: Abweichende Parteivereinbarung?
In Ziff. 3 und 5 des Vergleichs ist keine der Kostenfestsetzung entgegenstehende Parteivereinbarung zu sehen. Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind keine Kosten des Rechtsstreits (BGH NJW-RR 2004, 503). Der Verzicht des Gläubigers auf die Rechte aus dem Versäumnisurteil bedeutet lediglich, dass für die Zukunft nur der Prozessvergleich Vollstreckungstitel ist. Er nimmt dem Versäumnisurteil in dem durch den Prozessvergleich bestätigten Umfang aber nicht die Wirkung als Grundlage für in der Vergangenheit bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen. Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen auch nicht unter Ziff. 4 des Vergleichs, denn sie gehören nicht zu den in den „vorliegenden Rechtsstreit eingeführten“ Ansprüchen.
Aber: Sind die Kosten auch trennbar?
Gleichwohl hat das LG den Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von demjenigen, der der Entscheidung des IXa. Zivilsenats vom 10.10.2003 (NJW-RR 2004, 503 f.) zugrunde lag. Während in jenem Fall der Gläubiger zunächst einen Titel erwirkt und sich die Parteien sodann vergleichsweise auf die Zahlung eines geringeren Betrags geeinigt hatten, beschränkt sich der Vergleich hier nicht auf den (ursprünglich) eingeklagten Zahlungsanspruch. Die Schuldnerin hat ...