I. Das Problem
Kfz-Brief im Besitz eines nicht herausgabebereiten Dritten
Der Schuldner wurde rechtskräftig verurteilt, einen Pkw sowie die dazugehörigen Schlüssel und Papiere, insbesondere auch den Kfz-Brief herauszugeben. Das Fahrzeug wird am Ende mit Schlüsseln durch den Gerichtsvollzieher in Besitz genommen und herausgegeben. Das Problem: Der Schuldner behauptet, nicht er, sondern eine dritte Person habe den Fahrzeugbrief. Dies versichert er an Eides statt. Der Dritte ist jedoch nicht bereit, den Kfz-Brief herauszugeben.
Straßenverkehrsamt erteilt keinen neuen Brief
Das Straßenverkehrsamt weigert sich, dem Gläubiger einen neuen Fahrzeugbrief auszustellen, da der alte nicht verloren gegangen sei. Auch erkennen sie die vor dem Gerichtsvollzieher abgegebene eidesstattliche Versicherung des Schuldners nicht an. Das Straßenverkehrsamt besteht darauf, dass sowohl der Schuldner als auch der Dritte notariell versichern, dass ihnen der Brief nicht mehr vorliegt. Eine Aussicht, dass diese Erklärungen erlangt werden können, besteht nicht.
II. Die Lösung
Wichtig: Herausgabetitel
Der Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, schon im Erkenntnisverfahren die richtigen Weichen für die Zwangsvollstreckung zu stellen. Das ist im geschilderten Fall geschehen. Der Bevollmächtigte hat nicht nur die Pflicht zur Herausgabe des Fahrzeuges titulieren lassen, sondern auch ausdrücklich die Herausgabe des Kfz-Briefes, des Kfz-Scheines, der Autoschlüssel und ggfs. weiter vorhandener Unterlagen. Es besteht damit nicht nur ein Titel über das Fahrzeug selbst, sondern auch über die Herausgabe des Kfz-Briefes. Insoweit kann dessen Herausgabe isoliert von der Herausgabe des Fahrzeuges vollstreckt werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Dritte zur Herausgabe des Kfz-Briefes bereit ist oder – wie Fall des Lesers – hierzu nicht bereit ist.
Der zur Herausgabe bereite Dritte
Zunächst ist der Dritte aufzufordern, die Unterlagen freiwillig herauszugeben. Befindet sich die herauszugebende Sache im Gewahrsam eines zur Herausgabe bereiten Dritten, erfolgt die Vollstreckung gem. § 809 ZPO analog nach § 883 ZPO. Der Gerichtsvollzieher nimmt die Sache dem zur Herausgabe bereiten Dritten weg und übergibt sie dem Gläubiger.
Der Dritte ist kein Titelschuldner
Da der Herausgabetitel gegen den Schuldner und nicht gegen den Dritten gerichtet ist, der den Kfz-Brief in Gewahrsam hat, kann nach § 750 ZPO unmittelbar gegen den Dritten nicht vollstreckt werden, soweit dieser zur Herausgabe nicht bereit ist. § 750 ZPO ordnet an, dass nur für und gegen die im Titel genannten Personen vollstreckt werden kann. Die Vollstreckung gegen einen nicht zur Herausgabe bereiten Dritten würde eine verbotene Eigenmacht darstellen (LG Bielefeld NJW 1956, 1879; Goebel/Krumscheid, Anwaltformulare Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 10)
Der richtige Weg: Herausgabeanspruch pfänden
Der Dritte wird regelmäßig aber keinen Anspruch gegenüber dem Schuldner auf den Kfz-Brief haben, insbesondere in den Fällen, in denen der Dritte kein die Veräußerung hinderndes Recht an dem Fahrzeug im Sinne des § 771 ZPO hat. Dies bedeutet, dass der Schuldner seinerseits einen Anspruch gegen den Dritten auf Herausgabe des Kfz-Briefes hat. Auf eben diesen Anspruch kann der Gläubiger nun zugreifen. Der Gläubiger kann aber den Herausgabeanspruch, den der Schuldner gegen den Dritten hat, nach § 886 ZPO pfänden und sich nach §§ 828, 835 ZPO überweisen lassen.
Vollstreckung führt zur Herausgabe
Im Unterschied zu der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in Herausgabeansprüche nach den §§ 846, 848 ZPO erfolgt nun aber keine Verwertung der herausgegebenen Sache und die Auskehr des Verwertungserlöses abzüglich Kosten an den Gläubiger, sondern die gepfändete Sache ist an den Gläubiger selbst herauszugeben.
Bei Weigerung"Einziehungsklage"
Verweigert der Dritte nach Überweisung weiterhin die Herausgabe, muss der Vollstreckungsgläubiger den gepfändeten und überwiesenen Anspruch gegen ihn einklagen und anschließend aus dem obsiegenden Urteil nach §§ 883 ff. ZPO vollstrecken. In diesem Fall ist nun der Dritte selbst Schuldner, so dass die Vollstreckungsmaßnahmen auch nach § 750 ZPO gegen ihn gerichtet werden können. Es handelt sich um eine Einziehungsklage in Form einer Herausgabeklage.