Leitsatz
Der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung mit der darin enthaltenen Ermächtigung des Zwangsverwalters, sich den Besitz an dem Verwaltungsobjekt zu verschaffen, stellt einen Vollstreckungstitel dar, aufgrund dessen der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz setzen und den Zwangsverwalter in den Besitz einsetzen kann; auch wenn die Besitzverschaffung die Wohnung des Schuldners betrifft, bedarf es für diese Zwangsvollstreckung keiner richterlichen Anordnung.
BGH, 24.2.2011 – V ZB 280/10
1 I. Der Fall
Zwangsverwaltung angeordnet
Das Amtsgericht ordnete die Zwangsverwaltung des dem Schuldner gehörenden Grundbesitzes an und bestellte den Beteiligte zu 1 zum Zwangsverwalter. Er wurde ermächtigt, sich den Besitz zu verschaffen; soweit Mieter oder Pächter Besitzer waren, wurde dem Zwangsverwalter der mittelbare Besitz übertragen. Auf dem Grundstück befindet sich ein Mehrfamilienhaus, in welchem drei Parteien wohnen. Die im Hochparterre und im ersten Obergeschoß gelegenen Räumlichkeiten sind vermietet; das Untergeschoß wird angeblich von dem Schuldner und seiner Ehefrau bewohnt.
GV verlangt für Besitzeinweisung Durchsuchungsbeschluss
Nachdem der Schuldner den Besitz nicht freiwillig einräumte, beauftragte der Zwangsverwalter den Gerichtsvollzieher, ihn in das Objekt einzuweisen und dem Schuldner näher bezeichnete Mietverträge, Betriebskostenabrechnungen, Kautionszahlungen und Gebührenbescheide für Strom, Wasser und Gas wegzunehmen. Bei dem an demselben Tag durchgeführten Vollstreckungsversuch war der Schuldner nicht zugegen. Ein von ihm bevollmächtigter Mieter händigte dem Gerichtsvollzieher einen Teil der Mietunterlagen aus; er weigerte sich jedoch, dem Zwangsverwalter und dem Gerichtsvollzieher den Zutritt zu der Wohnung des Schuldners zu gewähren. Daraufhin gab der Gerichtsvollzieher den Vollstreckungsversuch auf und stellte dem Zwangsverwalter anheim, eine richterliche Durchsuchungsanordnung herbeizuführen. Die dagegen erhobene Erinnerung hat das Amtsgericht, die folgende sofortige Beschwerde das Landgericht zurückgewiesen.
2 II. Die Entscheidung
Zweck der Zwangsverwaltung ist Besitzentziehung
Zweck der Zwangsverwaltung ist es, die laufenden, aus der ordnungsgemäßen Benutzung des von der Beschlagnahme erfassten Grundstücks (vgl. § 148 Abs. 1 ZVG) stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einzusetzen, während dem Schuldner die Substanz des Verwaltungsobjekts ungeschmälert erhalten bleibt. Um diesen Zweck zu erreichen, wird durch die Beschlagnahme dem Schuldner die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG). An seine Stelle tritt insoweit der Zwangsverwalter. Damit dieser die damit verbundenen Pflichten (§ 152 ZVG) erfüllen kann, muss er den unmittelbaren – oder, bei vermieteten oder verpachteten Objekten, den mittelbaren – Besitz des Grundstücks erlangen (BGH NJW 1986, 2438). Hierzu hat ihm das Vollstreckungsgericht nach § 150 Abs. 2 ZVG durch einen Gerichtsvollzieher oder durch einen sonstigen Beamten das Grundstück zu übergeben oder ihm die Ermächtigung zu erteilen, sich selbst den Besitz daran zu verschaffen. Letzteres ist hier geschehen.
Die Pflichten des Schuldners
Das Amtsgericht hat in dem Anordnungsbeschluss u. a. die Ermächtigung des Zwangsverwalters zur Besitzverschaffung ausgesprochen, sofern sich das Verwaltungsobjekt im Besitz des Schuldners befindet. Da die in dem Hochparterre und in dem Obergeschoß des Gebäudes gelegenen Räume vermietet sind, betrifft die Ermächtigung zur Besitzverschaffung die Räume im Untergeschoß, die der Schuldner – unabhängig davon, ob er dort wohnt – mangels gegenteiliger Feststellungen und Anhaltspunkte jedenfalls in Besitz hat. Diesen Besitz muss er auf den Zwangsverwalter übertragen, indem er diesem die Räume herausgibt. Kommt er seiner Verpflichtung nicht freiwillig nach, geschieht nach § 885 ZPO die Herausgabe in der Weise, dass der Gerichtsvollzieher auf entsprechenden Antrag des Zwangsverwalters den Schuldner aus dem Besitz setzt und den Zwangsverwalter in den Besitz einweist (Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 150 Rn 11; Engels, in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 150 Rn 33; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 404; unklar Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 885 Rn 3). Der dafür notwendige Vollstreckungstitel ist der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung zusammen mit der Ermächtigung des Zwangsverwalters zur Besitzverschaffung (BGH NJW-RR 2005, 1032 m.w.N.).
Weitgehend keine richterliche Ermächtigung erforderlich
Für diese Maßnahme des Gerichtsvollziehers ist – vorbehaltlich der Regelung in § 758a Abs. 4 ZPO – keine besondere richterliche Anordnung notwendig, auch wenn sie mit dem zwangsweisen Öffnen und Betreten der Räume verbunden ist. Das gilt selbst dann, wenn es sich um die Wohnräume des Schuldners handelt. Sie unterliegen zwar dem besonderen Schutz des Art. 13 GG, der auch bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingreift (BVerfGE 51, 97). Aber nicht jeder Eingriff in die durch die Vorschri...