BGH sieht beide Renten als pfändbar an
Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass die streitbefangene Unfallrente eine laufende Geldleistung darstellt, die gem. § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden kann. Die hiergegen gerichteten Beschwerdeangriffe gehen fehl.
Die Rechtsbeschwerde ist der Auffassung, die von der Pfändung betroffene Unfallrente des Schuldners sei nicht als eine nach § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbare Verletztenrente gem. §§ 56 ff. SGB VII anzusehen, sondern vielmehr nach der Vorschrift des § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I unpfändbar. Die Unfallrente habe nach der Konzeption des Arbeits- und Sozialrechts der DDR keine Lohnersatzfunktion gehabt, sondern allein dem Ausgleich der Nachteile eines im Umfang abstrakt bestimmten Körperschadens im Allgemeinen gedient. Die Überleitung in das System der gesetzlichen Unfallversicherung ändere an der Einordnung der Unfallrente als Geldleistung im Sinne von § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I nichts. Durch die Vorschriften des § 215 SGB VII sowie der § 1150 Abs. 2, § 1154 RVO habe lediglich eine Besitzstandswahrung bewirkt werden sollen. Die Natur der Sozialleistung und die Zweckbestimmung der Unfallrente nach § 23 RentenVO seien dadurch nicht geändert worden.
Der BGH sagt Nein!
Hiermit kann der Schuldner nicht durchdringen.
Es kann dahinstehen, welchem Zweck die gepfändete Unfallrente nach der Konzeption des Arbeitsgesetzbuchs und der Rentenverordnung der DDR ursprünglich diente. Denn hierauf kommt es nach der heute maßgeblichen Rechtslage nicht (mehr) an. Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es für die Beurteilung der Pfändbarkeit einer Forderung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt (vgl. MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl., § 766 Rn 50 m.w.N.). Selbst wenn daher nach der Konzeption des damaligen § 23 RentenVO mit der danach gewährten Unfallrente seinerzeit ein unfallbedingter Mehraufwand ausgeglichen werden sollte, kann hieraus nach der heute geltenden Rechtslage nicht die Unpfändbarkeit gem. § 850i Abs. 3 ZPO, § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I hergeleitet werden.
Unfallrente ist Verletztenrente nach § 56 SGB VII
Die Drittschuldnerin zu 2 zahlt dem Schuldner die streitgegenständliche Rente seit dem 1.1.1992 als Verletztenrente im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Unfallrente des Schuldners nach § 23 RentenVO aufgrund der Überleitungsvorschriften des § 215 Abs. 1 und Abs. 6 SGB VII und der § 1150 Abs. 2, § 1154 RVO seit dem 1.1.1992 als Verletztenrente gem. § 581 RVO a.F. beziehungsweise nunmehr gem. § 56 SGB VII geleistet wird.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach dem Wortlaut des § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO Unfälle, die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle (vgl. § 7 Abs. 1 und § 8 SGB VII) im Sinne des Rechts der Unfallversicherung gelten und dass nach § 1154 Abs. 1 RVO der der im Beitrittsgebiet festgestellten Rente zugrunde gelegte Grad des Körperschadens als Minderung der Erwerbsfähigkeit und mithin als der maßgebliche Bemessungsfaktor für § 581 RVO a.F. beziehungsweise § 56 SGB VII gilt.
Austausch der Rechtsgrundlage mit der Deutschen Einheit
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist mit dem Außerkrafttreten der Rentenverordnung der DDR am 1.1.1992 (vgl. Art. 9 Abs. 2 Einigungsvertrag i.V.m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 6) die frühere Rechtsgrundlage für die Rentengewährung weggefallen. An ihre Stelle sind die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Maßgabe getreten, dass eine Überprüfung der der früheren Rentenbestimmung zugrunde liegenden Feststellungen aus Vertrauensschutzgründen nicht erfolgt (vgl. BT-Drucks 12/405, S. 154, 156; Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 101. EL September 2018, SGB VII § 215 Rn 4; Köhler, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: September 2017, § 2015 SGB VII Rn 7; vgl. auch BSG, Urt. v. 17.12.2015 – B 2 U 17/14 Rn 17 ff., BeckRS 2016, 68103).
Maßgeblich ist die aktuelle Rechtslage …
Auf die Zielstellung der Rentengewährung in der DDR kommt es damit nicht mehr an. Durch das Rentenüberleitungsgesetz sind alle Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1.1.1992 eingetreten und nach dem Sozialversicherungsrecht des Beitrittsgebiets versichert waren, in die gesetzliche Unfallversicherung der Bundesrepublik Deutschland überführt worden, wobei hinzunehmen war, dass sich der vormalige Charakter der Versicherungsleistung hierbei möglicherweise verändert hat (vgl. BVerfGE 104, 126, juris Rn 63).
… die nur § 850c ZPO als Pfändungsschutz kennt
Ob die Verletztenrente pfändbar ist, bestimmt sich daher ausschließlich nach ihrer heutigen rechtlichen Einordnung. Die von der Drittschuldnerin zu 2 geleistete gesetzliche Unfallrente ist als Verletztenrente im Sinne der §§ 56 ff. SGB VII gem. § 54 Abs. 4 S...