Leitsatz
Im Rahmen einer Zwangsvollstreckung kann ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) in Bezug auf einen Haftpflicht-, Teilkasko- und Kaskoversicherungsvertrag für den Pkw der Schuldnerin auch das Recht zur Kündigung des Vertrages umfassen.
LG Aurich, Beschl. v. 26.3.2018 – 7 T 97/18
1 I. Der Fall
Pfändung aller Rechte aus der Kfz-Versicherung
Die Gläubigerin beantragte mit einem PfÜB-Antrag unter anderem die Pfändung der Ansprüche der Schuldnerin aus dem Haftpflicht-, Teilkasko- und Kaskoversicherungsvertrag für ihren Pkw auf Rückvergütung wegen Unfallfreiheit, Rückzahlung bereits gezahlter Versicherungsprämien bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages und das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages selbst.
AG: Kündigungsrecht nicht pfändbar
Mit dem angegriffenen Beschluss hat das AG den Antrag zurückgewiesen, soweit auch das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages selbst gepfändet werden soll. Zur Begründung führt es aus, dass das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages ein nicht pfändbares Gestaltungsrecht darstelle. Ein Anspruch auf Beitragsrückvergütung und auf Erstattung eines zu viel gezahlten Prämienbetrages sei als Geldforderung zwar pfändbar. Diese Pfändung berechtige den Gläubiger jedoch nicht, das Versicherungsverhältnis zu kündigen oder auch nur umzugestalten. Bei dem Recht auf Kündigung des Versicherungsvertrages selbst handelte es sich nicht um einen Annex des gepfändeten Anspruchs, sondern um das genaue Gegenteil. Als Vermögenswert pfändbar seien lediglich die Ansprüche auf Rückvergütung wegen Unfallfreiheit und Rückzahlung bereits gezahlter Versicherungsprämien bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages. Diese Rechte seien untergeordnete Bestandteile des ansonsten nicht pfändbaren Versicherungsvertrages, welchem kein selbstständiger Vermögenswert zukomme. Gegen den Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
2 II. Die Entscheidung
LG sieht das ganz anders
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat es das AG abgelehnt, auch das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages in den PfÜB mitaufzunehmen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 17.2.1966 (II ZR 286/63, BGHZ 45, 162–168) – damals für den Fall einer Lebensversicherung – zur Pfändbarkeit des Rechts zur Kündigung ausgeführt:
Zitat
"Das ausgeübte Kündigungsrecht beendet aber nicht nur die Prämienzahlungspflicht durch Aufhebung des Versicherungsvertrages, sondern bringt auch den Anspruch auf den Rückkaufswert zur Entstehung. Dieser Rechtsinhalt erfährt bei einer Übertragung des Kündigungsrechts keine Änderung. Das Kündigungsrecht ist deshalb nach heute herrschender Ansicht kein höchstpersönliches Recht (Prölss, a.a.O., § 165 Anm 5; Bruck/Dörstling, a.a.O., 2. Aufl., S. 103 m.w.N.; Niewisch, Die Zwangsvollstreckung in die Rechte aus einem Lebensversicherungsvertrag, 1939, S. 34 ff.). Es besitzt aber für sich allein keinen Vermögenswert, sondern erhält seine wirtschaftliche Bedeutung erst im Zusammenhang mit dem Recht auf den Rückkaufswert; es kann deshalb nicht selbstständig, sondern nur zusammen mit diesem Recht übertragen und gepfändet werden (Bruck/Dörstling, a.a.O., 2. Aufl., § 15 Nr. 56; Niewisch, a.a.O., S. 36). Hierbei kann dahinstehen, ob es überhaupt einer besonderen Pfändung bedarf oder das Kündigungsrecht als unselbstständiges, akzessorisches Gestaltungsrecht nicht ohne weiteres mit dem Anspruch auf den Rückkaufswert übergeht, wenn dieser zu Recht gepfändet und zur Einziehung überwiesen wird (so Gilbert, DR 1941, 2356, 2360/61; Niewisch, a.a.O., S. 37)."
Grundsatz: Kündigungsrecht ist pfändbar
Auch im weiteren Verlauf hat der BGH entschieden, dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung eine Versicherung gekündigt werden darf. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Versicherung nach der Art des Vertrages besonderen Pfändungsschutzvorschriften unterfällt (BGH, 1.12.2011 – IX ZR 79/11). Zusammengefasst kommt es für die Frage, ob der Gläubiger sich das Kündigungsrecht überweisen lassen kann, darauf an, ob die Rechte des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag diesem wirtschaftlich zustehen und ob ein Pfändungsverbot greift.
Kein Pfändungsschutz in der Kfz-Versicherung
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall einer Kfz-Versicherung an, ist eine Pfändbarkeit gegeben. Da im Fall der Kündigung des Versicherungsvertrages der Schuldnerin ein Recht auf Rückzahlung bereits gezahlter Versicherungsprämien zustehen würde und ein solcher Anspruch seiner Art nach unstreitig pfändbar ist, muss auch das Recht zur Kündigung des Vertrages der Gläubigerin mitüberwiesen werden können. Denn wie der BGH betont hat, ist das Kündigungsrecht akzessorisch zu dem nach Kündigung entstehenden Rückgewähranspruch. Folgerichtig hat die Gläubigerin auch nicht isoliert die Überweisung des Kündigungsrechts beantragt, sondern gerade in Verbindung mit dem in Zukunft möglicherweise entstehenden Anspruch auf Beitragsrückerstattung.
Unerheblich: Pflichtversicherung
Der Pfändung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass...