Wegfall der Geschäftsgrundlage
Art. 240 § 2 EGBGB lässt die sonstigen Regelungen des BGB unberührt und damit auch die Bestimmungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Der Gesetzgeber greift also nicht unmittelbar ins BGB ein, sondern schafft eine Sonderregelung in Art. 240 EGBGB. Die Regelung betrifft ja auch nur das Kündigungsrecht und nicht den hier angesprochenen Zahlungsanspruch.
Ob die Voraussetzungen des § 313 BGB dergestalt vorliegen, dass der Mietzinsanspruch für den Vermieter gänzlich untergeht, ist zunächst stets eine Frage des Einzelfalles. Sie wird je nach dem Standpunkt der Autoren unterschiedlich beantwortet. Zunächst einmal müsste § 313 BGB überhaupt anwendbar sein. So wird teilweise vertreten, dass die Regelungen über die Unmöglichkeit nach §§ 326, 275 BGB heranzuziehen sind (vgl. etwa Schall, JZ 2020, 388). Andere Autoren gehen davon aus, dass die Vorschriften über die Mietminderung als lex specialis einschlägig sind (Weller/Thomale, Betriebsberater 2020, 962). Es ist also zunächst die Frage zu beantworten, ob der Anwendungsbereich von § 313 BGB überhaupt eröffnet ist. Das ist streitig und wird am Ende von den Gerichten beantwortet werden müssen. Vertretbar sind alle drei Ansichten.
Allgemein gilt für die Anwendung von § 313 BGB: Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach § 313 Abs. 1 BGB die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In der Regel haben aber beide Parteien die Covid-19-Pandemie nicht vorausgesehen und werden gleichermaßen nachteilig betroffen. Der Vermieter garantiert dem Mieter, insbesondere dem gewerblichen Mieter, in der Regel auch vertraglich keinen bestimmten Ertrag. Das Ertragsrisiko trägt der Unternehmer. Wird etwa ein Einkaufscenter oder sonst ein Geschäft aufgrund der Covid-19-Pandemie geschlossen, ist dies für den Vermieter auch nicht abwendbar. Der Mieter hätte den Vertrag nicht geschlossen, wenn er gewusst hätte, keinen Umsatz erzielen zu können. Auch der Vermieter hätte den Vertrag nicht geschlossen, wenn er gewusst hätte, dass der Mieter nicht zahlen kann. Es ist aber kaum zu erwarten, dass im Wissen um diese Umstände ein Mietvertrag ohne Mietzins geschlossen worden wäre.
Der Gesetzgeber hat aber nun, wenn auch nachträglich, eine gesetzliche Risikoverteilung getroffen. Er hat dem Vermieter das Kündigungsrecht genommen und ihm so ein verlängertes Liquiditätsrisiko des Mieters hinsichtlich der ausstehenden Mieten aufgebürdet. Demgegenüber hat er den Mieter als fortgesetzt verpflichtet angesehen, die Miete zu zahlen. Weder wurde ein Moratorium vorgesehen, noch ein Untergang des Zahlungsanspruchs. Das spricht dafür, die Voraussetzungen des § 313 BGB in der Regel zu verneinen. Eine abweichende Ansicht im Einzelfall schließt das nicht aus.