Einführung
Wir haben berichtet
In FoVo 2020, 61 haben wir berichtet, wie der Gesetzgeber wegen der Covid-Pandemie in die Forderungseinziehung eingreift. Nach der Beratung im Bundestag (BT-Drucks 19/18110) ist das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl I 2020, S. 569–574). In Art. 240 § 2 EGBGB ist der Kündigungsschutz für Miet- und Pachtverhältnisse geregelt. Im Rahmen der FoVo-Webinare (https://www.anwaltverlag.de/rechtsgebiete/rechtsgebiete-von-a-bis-z/buergerliches-rechtzivilrecht/1475/videoschulung-schuldenmoratorium-mieter-und-darlehensnehmerschutz-und-die-folgen) haben uns dazu viele Fragen erreicht, die wir hier gerne beantworten wollen:
Zahlungsverzug als Kündigungsgrund
Arbeitslosigkeit, Kurzarbeitergeld, wegfallende Nebenjobs, notwendiger unbezahlter Urlaub zur Betreuung von Kindern und anderen Familienangehörigen, schwindende Aufträge bei Soloselbstständigen und Unternehmen führen bei Mietern zu erheblichen Einkommensverlusten. Folge ist, dass (auch) die Mieten nicht immer vollständig und fristgerecht gezahlt werden können. Die rechtliche Konsequenz ist nach §§ 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 2a, Abs. 3, 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 594e BGB, dass der Vermieter kündigen kann.
Ausschluss von Kündigungen durch das Abmilderungsgesetz
Dieses Vermieterrecht schränkt nun Art. 240 § 2 EGBGB ein. Soweit der Rückstand im Zeitraum vom 1.4. bis 30.6.2020 – durch Verordnung des BMJV bis zum 30.9.2020 verlängerbar (Schutzfrist) – entstanden ist und auf der Covid-19-Pandemie beruht, rechtfertigt dies die Kündigung nicht. Die Kündigung wegen Zahlungsverzuges ist für diesen Zeitraum also suspendiert.
Notwendig: Kausalität
Nach Art. 240 § 2 EGBGB muss die Nichtleistung "auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhen". Wann dies der Fall ist, ist nicht weiter geregelt. Anders als Art. 240 § 1 EGBGB verlangt der Kündigungsschutz auch nicht, dass die Leistung der Miete den Lebensunterhalt oder die Grundlagen des Erwerbsgeschäftes gefährdet. Es reicht also einfache Kausalität. Der Mieter muss insgesamt nicht über ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügen, um alle Verbindlichkeiten zu bedienen. Die Einkommens- oder Vermögensreduzierung muss eine Folge der Covid-19-Pandemie sein, d.h. auf die Maßnahmen des behördlich geregelten Lockdowns zurückzuführen sein. Bestand schon zuvor eine Leistungsunfähigkeit, so greift der Kündigungsschutz ebenso wenig wie bei einer feststellbaren Leistungsunwilligkeit.
Fragen und Antworten
Uns haben zu dieser gesetzlichen Regelung viele Fragen erreicht. Wir wollen Antworten geben:
1
Hinweis
Die Verpflichtung, die Miete noch zu zahlen, bleibt allerdings unberührt. Es wird also kein vorübergehendes oder dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht begründet. Auch kommt der Mieter regelmäßig nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne Mahnung in Verzug.
1. Für welche Mietverhältnisse gilt die Regelung überhaupt?
Betroffene Mietverhältnisse
Nach der gesetzlichen Regelung gilt der Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über "Grundstücke oder über Räume". Das zielt auf § 578 BGB ab und damit auf unbebaute Grundstücke sowie Wohn- und Geschäftsräume. Art. 240 § 2 Abs. 3 EGBGB erstreckt die Regelung dann auf Pachtverhältnisse. Vertreten wird, dass die Regelung auf das Immobilienleasing zu übertragen ist (Schmidt-Kessel/Möllnitz, NJW 2020, 1103, 1105).
2. Ist unter Miete die Warm- oder Kaltmiete bzw. Grundmiete zu verstehen?
Warm- oder Kaltmiete?
Weder der Wortlaut der Norm noch die Gesetzesbegründung beantwortet diese Frage. Art. 240 § 2 EGBGB gewährt ein Kündigungsrecht bei Zahlungsverzug. Es liegt deshalb nahe, auf die Betrachtungsweise zu § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB abzustellen. Danach betrifft der Rückstand die gesamte Mietzahlung, also die Grundmiete zuzüglich der Nebenkosten (BGH NJW 2014, 52, Rn 22 – zitiert nach juris; Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Aufl. 2020, § 543 Rn 23 und § 535 Rn 72).
3. Wie weit zurück sind Mietverträge einbezogen? Gilt die Regelung auch z.B. für einen Mietvertrag, der am 1.12.2019 geschlossen wurde?
Einbezogene Verträge
Die gesetzliche Regelung kennt hier keine Grenze. Es sind also alle Mietverhältnisse einbezogen, gleichgültig, wann der Mietvertrag geschlossen wurde. Ob der Vertragsschluss bereits lange zurück liegt oder erst vor kurzem erfolgt ist, ist unerheblich.
4. In § 2 Abs. 4 des Gesetzes steht, dass die Abs. 1 bis 3 bis zum 30.6.2022 anzuwenden sind. Ist das Jahr 2022 richtig oder handelt es sich um einen Schreibfehler?
Dauer der Aussetzung des Kündigungsschutzes
Die zeitliche Angabe ist richtig. Es bedeutet, dass ein Zahlungsrückstand, der während der Schutzzeit – zunächst ab dem 1.4. bis zum 30.6.2020 – entstanden ist, bei der Berechnung der kündigungsrelevanten Rückstände bis zum 30.6.2022 nicht berücksichtigt wird. Nach Ablauf der Schutzfrist auflaufende Mietrückstände können aber dann – auch vor dem 30.6.2022 – die Kündigung wegen Zahlungsverzuges rechtfertigen.
Beispiel 1
Der Mieter zahlt die Miete von 500 EUR monatlich im Mai und im Juni 2020 nicht. Im Juli – außerhalb der Schutzfrist – nimmt er die Zahlungen wieder regelmäßig auf, ohne allerdings den Rückstand von 1.000 EUR auch zu tilgen. Ihm kann aufgrund dieses Sachverhaltes frühestens im Juli 2022 gekündigt werden.
Beispiel 2
Der Mieter zahlt die Miete von 500 EUR monatlich im Mai und im Juni 2020 nicht. Im Juli – außerhalb der Schutzfrist – nimmt er die Zahlungen wieder regelmäßig auf, zahlt aber nur 400 EUR monatlich und tilgt auch den Rückstand nicht.
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