I. Das Problem
Kontopfändung
Unser Mandant betreibt als Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung. Wir haben ursprünglich einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner erwirkt. Nachfolgend ist uns das Konto des Schuldners bekannt geworden. Wir haben deshalb einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zur Kontopfändung beantragt. Im Rahmen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses haben wir auf S. 8 unter den "Sonstigen Anordnungen" auch Kündigungsrechte gepfändet.
Monierung des Vollstreckungsgerichts
Obwohl die Formulierung nun schon viele Male verwendet wurde und ohne Monierung geblieben ist, moniert nun ein Vollstreckungsgericht, dass Kündigungsrechte als Nebenrechte nicht selbstständig pfändbar seien. Eine Pfändung des Kündigungsrechtes sei daher nur so weit und im Umfang des gepfändeten Hauptrechtes möglich. Auch sei ein Kündigungsrecht hinsichtlich des Girovertrages unpfändbar. Es wird um die Streichung der entsprechenden Passagen gebeten. Müssen wir dem nachkommen?
II. Die Lösung
Das Kündigungsrecht
Das Kündigungsrecht ist Ausfluss der Rechtsstellung des Schuldners bzw. des Pfändungsgläubigers und daher als Nebenrecht nicht selbstständig pfändbar; es geht bei Pfändung und Überweisung des Hauptanspruchs automatisch auf den Pfändungsgläubiger über (LG Essen Rpfleger 1973, 147 = MDR 1973, 323; Goebel, Anwaltformulare Zwangsvollstreckung, 5. Aufl., § 8: Banken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen, Rn 321; a.A. Vallender, InVo 1996, 286) Dass durch eine Auszahlung vor Ablauf der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist unter Umständen das Schuldnervermögen mit einem Vorschusszins belastet wird, steht dem vorzeitigen Leistungsverlangen des Pfändungsgläubigers nicht entgegen (LG Bamberg MDR 1987, 243; LG Nürnberg-Fürth WM 1987, 1047; a.A. Vallender, InVo 1996, 286, der die Auffassung vertritt, nur mit Zustimmung des Vollstreckungsschuldners sei eine vorzeitig Auszahlung möglich). Auch Kenn- oder Passwörter stehen dem Auszahlungsverlangen des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegen (Stöber, Forderungspfändung, Rn 334).
Pfändbarkeit
Dass ein Nebenrecht nicht selbstständig pfändbar ist, sagt aber nicht, dass es nicht mitgepfändet ist. Vielmehr erstreckt sich die Pfändung des Hauptrechtes ohne weiteres auch auf alle unselbstständigen Nebenrechte (BGH MDR 2004, 114 explizit für die Kontopfändung; BGH NJW 2006, 217; Stöber, Forderungspfändung, Rn 699). Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Nebenrecht nicht explizit mitgepfändet werden muss, weil es schon mitgepfändet ist. Das ist eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit. So kann auf das Guthaben eines Sparbuchs ohne dessen Kündigung und die Vorlage nicht zugegriffen werden.
Nebenrecht im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
Der BGH hat schon 2003 (18.7.2003 – IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555) ausgesprochen: "Die mit der – hier erfolgten – Pfändung des Hauptrechts verbundene Beschlagnahme erstreckt sich aber ohne weiteres auch auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehen (BGH, Beschl. v. 16.6.2000 – BLw 30/99, ZIP 2000, 1444 unter II. 3.; vom 22.11.2000 – BLw 1/00, NL-BzAR 2001, 119 unter II. 2. a); Urt. v. 18.6.1998 – IX ZR 311/95, WM 1998, 1689 unter I. 1.; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 990, 991; LG Frankfurt a.M. MDR 1986, 594; LG Aachen JurBüro 1991, 873; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl., § 829 Rn 80; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rn 669, 1741; Musielak/Becker, ZPO, 3. Aufl., § 829 Rn 21; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 829 ZPO Rn 57). Einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht (Stein/Jonas/Brehm, a.a.O.; Stöber, a.a.O. Rn 1741, 940). Das Vollstreckungsgericht kann jedoch auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung aussprechen (Stöber, a.a.O. Rn 1741)." (Hervorhebungen des Autors)
Der BGH hat also – entgegen den Monierungen – ausdrücklich gestattet, dass die Nebenrechte auch in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwähnt werden.
Hinweis
Das ist im Ergebnis auch sinnvoll, weil dies in der Praxis Auseinandersetzungen um die Realisierung solcher Nebenrechte vermeidet. Darauf hat auch der BGH zuletzt abgestellt: "In Fällen der Mitpfändung von Nebenrechten wie im Streitfall kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung (klarstellend) aussprechen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.7.2003 – IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556; Beschl. v. 9.2.2012 – VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn 11; LG Bochum JurBüro 2000, 437 m.w.N.; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 1742; Scherer, Rpfleger 1995, 446, 450; a.M. OLG Zweibrücken JurBüro 1995, 660, 662). Ein solcher klarstellender Ausspruch erleichtert dem Gläubiger den Nachweis der Mitpfändung (vgl. OLG Hamm DGVZ 1994, 188, 189; LG Koblenz JurBüro 1996, 663, 664; Behr, JurBüro 1995, 626, 628)" (BGH, 19.12.2012 – VII ZB 50/11, Rn 12, zitiert nach juris, vgl. auch FoVo 2013, 56).
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