Charlotte Marie Flory Grenzen inkassodienstlicher Rechtsdienstleistungen Dissertation, 1. Aufl. 2022 295 Seiten, 84,00 EUR ISBN 978-3-8487-8951-1
Die Dissertation ist als Band 100 in der Schriftenreihe des Instituts für Anwaltsrecht erschienen. Sie nimmt eine aktuelle Diskussion in Gesetzgebung und Rechtsprechung auf und verdient schon allein deshalb einen aufmerksamen Blick.
Die Autorin zeigt das historische Verständnis der Inkassotätigkeit aus ihrer Sicht auf und betont die zentrale Aufgabe des Inkassodienstleisters bei der Einziehung unstreitiger Forderungen. Dieses Bild sei von dem Gesetzgeber mit in das Rechtsdienstleistungsgesetz übernommen worden, ohne es auch im Wortlaut als Beschränkung zu berücksichtigen, was bis heute den Widerspruch zu verschiedenen Geschäftsmodellen beschreibe. Sie möchte daraus dann eine tatbestandliche Einschränkung der Inkassodienstleistung begründen.
Dem darf allerdings mit Fug und Recht widersprochen werden. Der Gesetzgeber hat sich in zwei großen Reform 2013 (Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BGBl 2013, S. 3714) und 2020 (Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht, BGBl 2020, S. 3320) mit der Inkassodienstleistung beschäftigt und sie als Teil der Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG nicht beschnitten, sondern sich auf Vergütungsfragen bei der Bewertung von Anspruch und Aufwand beschränkt. Auch nach dem BGH umfasst der Inkassobegriff auch Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sogenannten "Sammelklage-Inkassos" (BGH, 13.7.2021 – II ZR 84/20, BGHZ 230, 255–288). Man wird der Dissertation zugutehalten müssen, dass sie vor dem letzten Gesetzgebungsvorhaben und vor der neueren Rechtsprechung des BGH abgeschlossen wurde.
Man muss auch nicht einer Meinung sein, um einen wissenschaftlichen Beitrag positiv zu bewerten. Insoweit repräsentiert die Dissertation den Blick aus Teilen der tradierten und an konservativen Verhältnissen orientierten Rechtsanwaltschaft auf die (konkurrierenden) Rechtsdienstleister, die Inkassodienstleister. Die Auffassung ist gleichwohl ernst zu nehmen und in der aktuellen Diskussion zu beachten.
Erfreulich wäre es gewesen, wenn die Ausführungen zur Sachkunde nicht nur theoretischer Natur geblieben wären, sondern auf einer rechtstatsächlichen Untersuchung fußen würden. Als Leiter des Sachkundelehrgangs und Vorsitzender der Prüfungskommission zum Erwerb der theoretischen Sachkunde kann der Rezensent aus eigener Anschauung und mangels Kontaktaufnahme sagen, dass dies nicht geschehen ist. Es wird immer wieder nur die Präsenzveranstaltung von 120 Stunden, die tatsächlich viel länger ist, betrachtet und der Charakter als Fernstudiengang vernachlässigt.
Autor: Frank-Michael Goebel
VRiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo 5/2023, S. 100