I. Das Problem
GV verweigert Zustellung des umgeschriebenen Titels
Wir betreiben gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung. In diesem Rahmen ist es auf der Seite des Gläubigers zu einer Rechtsnachfolge gekommen. Wir haben die Titelumschreibung nach § 727 ZPO auf der Grundlage öffentlich beglaubigter Urkunden erreicht. Zur erneuten Zustellung des Titels haben wir dem Gerichtsvollzieher auch Abschriften der Urkunden überlassen, die die Rechtsnachfolge im Verfahren nach § 727 ZPO belegt haben. Der Gerichtsvollzieher lehnt nunmehr aber die Zustellung ab. Er verlangt beglaubigte Abschriften. Davon spricht das Gesetz aber nicht. Hat er Recht?
II. Die Lösung
Antragsteller in der Zwangsvollstreckung ist der Titelgläubiger
Nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Kommt es also zu einer Rechtsnachfolge auf Seiten des Gläubigers, etwa durch einen Erbfall, eine Abtretung der Forderung oder eine Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz (vgl. die Übersicht der Fälle der Rechtsnachfolge bei Ulrici, in: BeckOK-ZPO, 47. Ed., Stand: 1.12.2022, § 727 Rn 11.1), muss der Titel auf den neuen Gläubiger als Antragsteller in der Zwangsvollstreckung umgeschrieben werden.
Die Voraussetzungen der Titelumschreibung
Eine vollstreckbare Ausfertigung kann nach § 727 Abs. 1 ZPO für den Rechtsnachfolger des in dem Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigers erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner die Rechtsnachfolge auf seine Anhörung nach § 730 ZPO ausdrücklich anerkennt.
Hinweis
Der BGH hat schon 2005 entschieden (5.7.2005 – VII ZB 23/05), dass § 138 Abs. 3 ZPO im Verfahren nach § 727 ZPO keine Anwendung findet. Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Ein Schweigen des Schuldners würde bei Anwendung der Norm also die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel erlauben. Leider hat der BGH anders entschieden, ohne dass die Entscheidung überzeugt. Dem Umstand, dass der Schuldner mit dieser Wirkung nicht rechnet, hätte durch eine entsprechende Hinweispflicht genügt werden können.
In der titelübertragenden Vollstreckungsklausel ist grundsätzlich zu erwähnen, auf welcher Urkunde oder welchem Umstand (Offenkundigkeit, Geständnis) die Umschreibung beruht.
Das Problem: die Zustellung
Auf die Titelumschreibung muss der umgeschriebene Vollstreckungstitel dem Schuldner erneut zugestellt werden, § 750 Abs. 2 ZPO. Wenn die titelergänzende oder -übertragende Vollstreckungsklausel auf der Grundlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde – mithin nicht aufgrund von Offenkundigkeit oder eines Geständnisses – erteilt wurde, sind nach § 750 Abs. 2 ZPO mit der Klausel auch die entsprechenden Nachweisurkunden zuzustellen.
Es müssen diejenigen Nachweiskurkunden, auf denen die Klauselerteilung ausweislich der Klausel beruht, in vollständiger Abschrift zugestellt werden (Tenner, DGVZ 2019, 224 (230)). Obwohl gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen, wird gefordert, dass die Abschriften einschließlich eines etwaigen öffentlichen Beglaubigungsvermerks (OLG Hamm Rpfleger 1994, 173) beglaubigt sind (BeckOK-ZPO/Ulrici, 47. Ed., Stand: 1.7.2022, ZPO § 750 Rn 26). Der BGH (26.8.2020 – VII ZB 39/19) führt hierzu aus:
Zitat
"Eine solche Vollstreckungsklausel ist für den Antragsteller bei wirtschaftlicher Betrachtung von Vorteil. Denn wird die Vollstreckungsklausel auf der Grundlage von öffentlichen und/oder öffentlich beglaubigten Urkunden erteilt, müssen die nach § 750 Abs. 2 ZPO zuzustellenden Abschriften der in der Vollstreckungsklausel genannten Nachweisurkunden beglaubigt sein, mag sich dies auch nicht ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben (vgl. BGH, v. 13.10.2016 – V ZB 174/15 Rn 19 m.w.N., NJW 2017, 411). Für die Beschaffung dieser Abschriften fallen regelmäßig Kosten an (vgl. § 192 ZPO, §§ 1, 9 GvKostG, Nr. 700 KV-GvKostG, §§ 1, 3 GNotKG, Nr. 25100 ff. KV-GNotKG), die je nach Umfang der Nachweisurkunden nicht unerheblich sein können. Zwar handelt es sich hierbei um Aufwendungen, die auf die Durchsetzung des titulierten Anspruchs gerichtet sind, weswegen sie als Kosten der Zwangsvollstreckung – soweit sie notwendig waren (§ 91 ZPO) – dem Schuldner nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO zur Last fallen (Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 788 Rn 3; BeckOK-ZPO/Preuß, Stand: 1.3.2020, § 788 Rn 13). Indes ist der Antragsteller bis zu einer Realisierung des Anspruchs gegen den Schuldner mit diesen Aufwendungen wirtschaftlich belastet."
Hinweis
Ein Verstoß gegen die Notwendigkeit, beglaubigte Abschriften der Urkunden zuzustel...