Der vom BGH konkret entschiedene Fall betrifft ein Verbraucherinsolvenzverfahren. Gleichwohl erfasst er auch den Fall der Einzelvollstreckung.
In § 580c ist schon einiges eingerechnet
Grundsätzlich unterliegt das Arbeitseinkommen nur insoweit nicht der Pfändung, wie sich ein Pfändungsfreibetrag aus § 850c ZPO ergibt. In diesem Pfändungsfreibetrag sind die gewöhnlichen Belastungen eines gewöhnlichen Arbeitnehmers enthalten.
Tatsächlich kann es allerdings sein, dass der Schuldner außergewöhnliche Mehraufwendungen hat. Hier kann der Schuldner eine entsprechende Erhöhung des unpfändbaren Betrages nach § 850 f Abs. 2 ZPO erreichen. Dabei kennt das Gesetz drei Fallkonstellationen:
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Eine Erhöhung kommt dann in Betracht, wenn er unter Ausnutzung des Pfändungsschutzbetrages nicht zumindest so viel behält, wie er als individuelle Sozialhilfe erhalten würde, § 850f Abs. 1 Buchst. a) ZPO. |
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Der Schuldner hat besondere persönliche oder berufliche Bedürfnisse, die zu befriedigen sind, § 850f Abs. 1 Buchst. a) ZPO. Übersicht: Das sind anerkennenswerte besondere Bedürfnisse
Diätverpflegung |
LG Essen Rpfleger 1990, 470; KG Krefeld MDR 1972, 152; LG Köln JurBüro 1966, 254 |
Besondere Kosten, die durch Invalidität verursacht sind |
BGH NJW 1982, 1594 |
Selbstbehalt bei der Heilbehandlung, soweit dieser nach der Pfändung fällig geworden ist und auch tatsächlich angefallen ist |
LG Düsseldorf JurBüro 2006, 156 |
Mehrkosten für Aus- und Fortbildung |
LG Braunschweig NJW 1955, 1599 |
Hohe Kosten für die Anfahrt zur Arbeit, jedoch nicht mehr als für eine Monatskarte des ÖPNV und wenn der Schuldner hierfür keine besonderen Aufwandsentschädigungen bzw. Ersatzleistungen erhält |
LG Bochum Rpfleger 1998, 531; LG Marburg JurBüro 1999, 661; LG Halle Rpfleger 2000, 285; LG Braunschweig ZInsO 2007, 950 |
Hinweis In diesem Fall muss allerdings an die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit gedacht werden (Pendlerpauschale), so dass die Steuererstattungsansprüche gepfändet werden können. Grundsätzlich ist unter Berücksichtigung der Belange des Gläubigers auch ein Umzug des Schuldners zumutbar, wenn dem keine überwiegenden Belange des Schuldners gegenüberstehen |
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Hohe Wohnkosten bei Arbeitsaufnahme im Ausland |
AG Wiesbaden ZVI 2008, 122 |
Neueinkleidung bei Antritt neuer Arbeitsstelle, die eine bestimmte Kleidung voraussetzt |
OLG Oldenburg BB 1958, 1220 |
Übersicht: Das sind keine anerkennenswerte besondere Bedürfnisse
Beiträge zur freiwilligen Höherversicherung zur Erzielung einer höheren Altersversorgung |
LG Fulda JurBüro 1984, 466 |
Tageszeitungen, Fernsehzeitungen |
Zöller-Stöber, 27. Aufl., § 850f Rn 4 |
Fernseh- und Telefongebühren |
Zöller-Stöber, 27. Aufl., § 850f Rn 4 |
Mittel für die Befriedigung von Altschulden |
OLG Oldenburg MDR 1959, 134 |
Tierarztkosten |
AG Wiesbaden ZVI 2008, 122 |
Geldstrafe aus einem Strafverfahren |
AG Wiesbaden ZVI 2008, 122 |
Zusatzversicherungen, die keine Pflichtversicherungen darstellen |
AG Wiesbaden ZVI 2008, 122 |
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Die dem Schuldner zur Verfügung stehenden Mittel genügen nicht, um seine laufenden Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen, weil sich auch hier besondere Unterhaltspflichten ergeben. |
Achten Sie auf Glaubhaftmachung!
Von dem Schuldner ist zu verlangen, dass er den Mehraufwand nachweist, zumindest im Sinne des § 294 ZPO glaubhaft macht, d.h. entsprechende Unterlagen vorlegt und die Richtigkeit der weiteren Tatsachen an Eides Statt versichert.
In allen Fällen ist zu beachten, dass die gesetzliche Regelung ausdrücklich vorsieht, dass überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen dürfen.
Übersicht: Entgegenstehende überwiegende Belange des Gläubigers
Der Gläubiger ist zum eigenen Unterhalt auf die Leistungen angewiesen. |
KG VersR 1962, 174 |
Erhebliche eigene Unterhaltsverpflichtungen des Gläubigers, für deren Erfüllung er der Leistungen des Schuldners bedarf. |
MüKo-ZPO/Schmid, 3. Aufl., § 850f Rn 10 |
Die Begleichung der Forderung zieht sich unangemessene Zeit hinaus, weil die Leistungen des Schuldners nicht einmal die Zinsen decken und eine Besserung der Verhältnisse nicht zu erwarten ist. |
Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 850f Rn 7 |
Der Gläubiger müsste ohne die Leistungen des Schuldners seinerseits Sozialhilfe in Anspruch nehmen. |
Schuschke/Walker, 4. Aufl., § 850f Rn 9 |